Presseähnliche Ausgestaltung?
Streitpunkt war die Aufmachung der Seite www.dortmund.de, die nach Auffassung des Klägers zu presseähnlich war. Ausgangspunkt war das sogenannte SPIEGEL-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Presse staatsfrei ist:
So wichtig die damit der Presse zufallende „öffentliche Aufgabe“ ist, so wenig kann diese von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden. Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf.
BVerfG, Urteil vom 05.08.1966 – 1 BvR 586/62 – BVerfGE 20, 162
Der Staat darf sich also nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen. Andernfalls liegt ein Eingriff in die Pressefreiheit vor.
Die Stadt Dortmund hatte nun zahlreiche Artikel veröffentlicht, darunter mit so spannenden Überschriften wie:
„Dreidimensionaler Wasserspaß“
„Wir tragen im Winter keine High Heels“
„Der Blog ist mein Baby“
In einem Veranstaltungskalender und unter der Rubrik „Nightlife“ wurde für Veranstaltungen geworben, die von Privaten organisiert wurde, ohne dass die Stadt hieran beteiligt gewesen wäre.
BGH urteilt zu Crailsheimer Stadtblatt
Diese Ausgestaltung hielt das Landgericht Dortmund für presseähnlich. Der Bundesgerichtshof hatte erst 2018 in einem Verfahren gegen die Stadt Crailsheim grundlegend ausgeführt, welche Maßstäbe für die Beurteilung der Zulässigkeit kommunaler Publikationen zugrunde zu legen sind (BGH, Urteil vom 20.12.2018 – I ZR 112/17).
Für die konkrete Beurteilung sei, so der BGH, eine wertende Gesamtbetrachtung von Art und Inhalt der Beiträge unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbildes vorzunehmen. Einzelne Beiträge würden allerdings noch nicht ausreichen, um einen Verstoß gegen die Staatsfreiheit der Presse zu begründen. Als Kriterien nennt das Gericht unter anderem:
- Beschränkung auf Sachinformationen, also keine Verwendung wertender oder meinungsbildender Elemente
- keine boulevard- bzw. pressemäßigen Illustrationen
- das Layout darf nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestaltet sein
- staatliche Publikation muss eindeutig als solche erkennbar sein
Zulässiges Informationshandeln liegt demnach vor, wenn es sich um kommunale Informationen handelt, diese müssen das Ziel verfolgen, Politik und Recht verständlich zu machen. Beispielsweise darf die Stadt über Projekte der Verwaltung oder des Gemeinderats berichten. Zulässig sind ferner Berichte über die kommunale Wirtschaftsförderung. In diesen Fällen ist auch eine presseähnliche Form zulässig.
Verstoß gegen Wettbewerbsrecht
Das Landgericht stellte fest, dass die Internetseite der Stadt Dortmund hiernach als presseähnlich zu qualifizieren war:
Insoweit ergibt die Gesamtschau, dass das von der Beklagten betriebene Internetportal als Informationsplattform mit journalistischen Beiträgen […] als Medium, das über das gesamte politische und gesellschaftliche Leben in Dortmund berichten will […], die oben dargestellten Grenzen überschreitet, weil es sich insoweit nicht mehr um eine gemeindliche oder öffentliche Aufgabe handelt, vielmehr die gesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzgrenzen überschritten werden. Jedenfalls die [vorliegenden] Berichterstattungen […] bewegen sich nicht mehr innerhalb der zulässigen Themenbereiche, und auch die konkrete Art der Darstellung des Internetauftritts in den jeweiligen Rubriken lässt ihn wie eine privat betriebene Internetplattform erscheinen.
LG Dortmund, Urteil vom 08.11.2019 – 3 O 262/17
Ein Wettbewerbsverstoß liege darin, dass der Verlag Mitbewerber sei. Denn dieser bietet ebenfalls digitale Medien an, mit der kostenlosen Bereitstellung der Webseite stellte sich die Stadt zu diesem in einen Wettbewerb. Durch den Verstoß gegen das aus dem Grundgesetz folgende Gebot der Staatsferne der Presse habe die Stadt zudem außerhalb ihres Aufgabenbereichs gehandelt. Daher liege auch eine geschäftliche Handlung vor.
Im Ergebnis verurteilte das Landgericht die Stadt Dortmund dazu, die Verbreitung der Webseite zu unterlassen. Ob Rechtsmittel eingelegt werden, ist noch offen.
Moderne Kommunikation, aber nicht auf Kosten von Grundrechten
Das Verfahren zeigt einmal mehr, dass der Staat mit neuen Medien sensibel umgehen muss. Denn wo Grundrechte berührt sind, muss er sich möglicherweise stärker zurückhalten als Privatpersonen. Wie die Polizei keine Bilder von Versammlungen für ihre Öffentlichkeitsarbeit anfertigen darf, muss auch eine attraktive Webseite auf bestimmte Artikel verzichten.
Die Herausforderung für Kommunen liegt künftig darin, die Grenze zwischen Information über ihre Tätigkeit und journalistischer Berichterstattung zu bestimmen. Die Rechtsprechung gibt hier zum Glück klare Kriterien an die Hand. Darüber hinaus begründet nicht jeder unzulässige Beitrag einen Unterlassungsanspruch. Wo sich Verstöße häufen, muss dennoch mit einer Abmahnung gerechnet werden.
OLG Hamm hebt Entscheidung auf
Auf die Berufung der Stadt Dortmund hat das Oberlandesgericht Hamm die Rechtslage anders eingeschätzt. Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse seien Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen. Dabei sei, so das Gericht, unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.
Auch das Oberlandesgericht sieht, dass einzelne Beiträge auf der Webseite nichts mehr mit einer Berichterstattung über die Gemeinde zu tun haben. Aber:
Auf Grundlage des Vortrags der darlegungsbelasteten Beklagten ist jedoch nicht feststellbar, dass der Gesamtcharakter des Angebots geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu gefährden und einen pressesubstituierenden Gesamtcharakter aufweist.
OLG Hamm, Urteil vom 10.06.2021 – 4 U 1/20
Es handelt sich allerdings um eine Momentaufnahme. Das letzte Wort wird der Bundesgerichtshof haben. Die Klägerin hat Revision eingelegt (BGH – ZR 97/21).
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