Zulässige Meinungsäußerung oder Beleidigung?
Unter einer Beleidigung kann sich jeder etwas vorstellen. Eine Person wird in ihrem sozialen Geltungsanspruch verletzt. Die Ehre ist aber etwas subjektives, sie ist nicht greifbar und höchstpersönlich. Während manche gegen persönliche Angriffe mehr oder weniger resistent sind, gibt es andererseits Sensibelchen, die alles persönlich nehmen und schnell eingeschnappt sind.
Rechtlich besteht also die Schwierigkeit, die Beleidigung von zulässigen Meinungsäußerungen, die auch scharfe Kritik an einer Person einschließen, abzugrenzen. Klar ist: Es kann nicht auf die persönliche Betroffenheit im Einzelfall ankommen, vielmehr muss allgemein bestimmt werden, unter welchen Bedingungen eine Beleidigung vorliegt. Nicht jede Empfindlichkeit einer Person ist auch rechtlich geschützt.
Es kann nicht oft genug wiederholt werden. In einem Strafverfahren sollten Sie als Beschuldigter gegenüber der Polizei keine Aussage machen, sondern einen Anwalt kontaktieren. Dieser kann für Sie Akteneinsicht nehmen.
Nichtachtung oder Missachtung einer anderen Person
Der Gesetzestext ist äußerst dürftig und hilft nicht wirklich weiter. Er definiert die Beleidigung nicht, sondern setzt sie voraus:
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 185 StGB
Die Rechtsprechung hat die Beleidigung deshalb wie folgt umschrieben:
Eine Beleidigung ist die nach außen gerichtete Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung eines anderen.
Hieraus folgt, dass
- es sich bei dem Beleidigten um einen anderen Menschen handeln muss, eine Personenmehrheit kann nur beleidigt werden, wenn sie eine gesellschaftliche oder wirtschaftliche Funktion erfüllen und dazu in der Lage sind, einen Willen zu bilden (z.B. ein Unternehmen, ein Verein, die Bundeswehr)
- nicht ohne Weiteres abgrenzbare Personenmehrheiten wie „die Ärzte“ oder „alle Rechtsanwälte“ können nicht beleidigt werden
- die beleidigte Person oder Personenmehrheit muss also individualisierbar sein,
- die Nichtachtung oder Missachtung muss nach außen kundgetan werden, also als solche wahrgenommen und verstanden werden
Darüber hinaus muss der Beleidigende vorsätzlich handeln, er muss um die beleidigende Wirkung seiner Äußerung wissen und diese wollen.
Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung
Kompliziert wird es, wenn der Beleidigte nicht direkt angesprochen wird und auch aus den Umständen der Äußerung nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, dass er gemeint ist. Von der Rechtsprechung entschiedene Beispiele sind der Aufkleber „Soldaten sind Mörder“ oder der auf einer Versammlung getragene Aufnäher „FCK CPS“. Der Kreis der Soldaten und Polizisten ist so groß, dass eine Beleidigung ohne besondere Umstände nicht anzunehmen ist. Andernfalls würde objektiv schon dann eine Beleidigung vorliegen, wenn ein britischer Polizist als Tourist den Aufnäher „FCK CPS“ wahrnimmt.
Je größer die betroffene Personengruppe ist, desto schwächer ist der Einzelne persönlich betroffen. Der Grund: Bei Vorwürfen an große Kollektive geht es meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale, sondern um die soziale Funktion der Gruppe sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an deren Mitglieder.
Der Tatbestand der „Beamtenbeleidigung“ war in § 102 des Strafgesetzbuchs für die Preußischen Staaten geregelt. Im heutigen StGB gibt es eine solche Sonderregelung für Amtsträger nicht.
Aus den äußeren Umständen kann sich aber ergeben, dass doch der Beleidigte gemeint ist. Es ist möglich, unter einer Kollektivbezeichnung zu beleidigen. Wenn im direkten Gespräch mit einem Ingeneur geäußert wird, „ich wusste doch, dass Ingeneure Hornochsen sind“, liegt eher ein individueller Bezug zum Gesprächspartner vor.
Abwägung: Meinungsfreiheit oder Beleidigung?
Zu beachten ist darüber hinaus das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Auch scharfe und polemische Formulierungen, überspitzte und plakative Wertungen sind erlaubt, wenn es um öffentlich bedeutsame Themen geht.
In sehr seltenen Fällen muss die Meinungsfreiheit automatisch zurücktreten. Dies ist dann der Fall, wenn der beleidigende Charakter besonders deutlich hervortritt, es also nicht mehr um die Sache geht. Dies wird rechtlich als „Schmähkritik“ bezeichnet. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings die Anforderungen an eine Schmähkritik sehr hoch angesetzt.
„Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muß vielmehr, daß bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. […] Aus diesem Grund wird Schmähkritik bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im übrigen eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben“
BVerfGE 93, 266
So hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht angenommen, dass auch ein Anstecker mit der Aufschrift „FCK CPS“ ein Ausdruck der Meinungsfreiheit ist:
Das Tragen des Ansteckers mit der Aufschrift ‚FCK CPS‘ fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. […] Der Aufdruck ‚FCK CPS‘ ist nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG.
Vor allem wenn politische Themen betroffen sind, muss daher die Meinungsfreiheit gegenüber dem Ehrschutz abgewogen werden. Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung im Einzelfall, es gibt also kein festes Schema, nach dem die Gerichte vorgehen. Regelmäßig spielt eine Rolle, ob der Betroffene in seiner Sozial- oder Privatsphäre berührt ist.
Deshalb zahlt es sich aus, zu argumentieren. Der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens ist häufig völlig offen. Wichtig ist, frühzeitig eine sorgfältige rechtliche Einschätzung vorzunehmen, um den Verlauf des Verfahrens steuern zu können.
Im Falle einer Abmahnung: Ruhig bleiben
Eine Beleidigung kann nicht nur ein Strafverfahren nach sich ziehen. Der Betroffene kann den Äußernden auch zivilrechtlich in Anspruch nehmen. Wenn eine Abmahnung im Briefkasten liegt, sollte in jedem Fall reagiert werden – aber nicht Hals über Kopf.
Der einer Abmahnung in der Regel beigefügte Entwurf sollte nicht einfach unterschrieben werden. Es besteht die Gefahr, dass Sie sich zu etwas verpflichten, wozu Sie rechtlich nicht verpflichtet sind. Sie sollten eine rechtliche Einschätzung einholen, es kann sich anbieten eine sogenannte modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierfür finden sich im Internet unzählige Muster, sie können eine qualifizierte Beratung jedoch nicht ersetzen.
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