Beispiele für urheberrechtlich geschützte Produkte sind Möbelstücke, die Gestaltung des Porsche 911 oder die Birkenstocksandalen. Die Frage, ob ein Design schutzfähig ist, bereitet in der Praxis aber erhebliche Schwierigkeiten. Bei Produkten handelt es sich um Gebrauchsgegenstände. Ihre Gestaltung ist nicht nur Ergebnis einer kreativen Entscheidung, sondern der Funktion geschuldet. Was unterscheidet das Design eines Porsche 911 von anderen?
Produkte als Werke der angewandten Kunst
Der urheberrechtliche Schutz von Produkten ist für Unternehmen von großer Bedeutung. Er sorgt dafür, dass ein Design von Wettbewerbern nicht übernommen werden darf. Nachahmer können gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Dem Urheberrecht kommt die Aufgabe zu, zwischen geschützten und frei kopierbaren Designs zu unterscheiden. Maßgeblich ist, ob die konkrete Gestaltung eine persönliche geistige Schöpfung darstellt (§ 2 Abs. 2 UrhG).
Alltagsgegenstände ordnet die Rechtsprechung als Werke der angewandten Kunst ein. Anders als die übrige Kunst dienen sie einem bestimmten Gebrauchszweck. Mit einem Porsche 911 fährt man auf der Straße, eine Sandale trägt man am Fuß. Das Design muss daher immer berücksichtigen, wie der Gegenstand verwendet werden soll.
Beispiel
Der Schöpfer des Porsche 911 war bei seiner Entscheidung nicht so frei, dass er auf einen Motorraum, Kotflügel oder Scheinwerfer hätte verzichten können. Aber er konnte einzelne Elemente (z.B. die Linienführung des Wagens) ausgestalten.
Eine persönliche geistige Schöpfung liegt nur vor, soweit das Design die Persönlichkeit des Autors widerspiegelt. Die Funktionalität oder Vorgaben des Auftraggebers engen die gestalterischen Möglichkeiten ein. Urheberrechtlich von Bedeutung ist daher, wie groß der Gestaltungsspielraum ist, den der Urheber bzw. die Urheberin nutzen konnte und ob seine konkrete Ausgestaltung die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht.
Welche Gestaltungshöhe ist erforderlich?
Die Anforderungen an die Gestaltungshöhe sind nicht allzu hoch anzusetzen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Geburtstagszug-Entscheidung klargestellt, dass an Produktdesigns gegenüber anderen Werkarten wie Texten oder Musik keine besonderen künstlerischen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 143/12). Im Verfahren ging es um die folgende Gestaltung von kleinen Zügen aus Holz, auf denen Kerzen und Zahlen stecken:
Es handelt hierbei um einen Gebrauchsgegenstand. Der Zug macht Geburtstagskindern morgens am Küchentisch eine Freude. Das übrigens schon seit langer Zeit, wir hatten in meiner Kindheit auch einen. Der Gebrauchszweck aber allein rechtfertigt nicht, einen Urheberrechtsschutz zu verneinen.
Gestaltungshöhe bei Werken der angewandten Kunst
Es genügt nach Auffassung des BGH auch bei Werken der angewandten Kunst, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es „nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise“ rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen.
BGH, Urteil vom 13.11.2013 – I ZR 143/12 – Geburtstagszug
Trotz der geringen Anforderungen betont der BGH aber, dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung urheberrechtlich nur geschützt ist, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist. Sie muss vielmehr auf einer künstlerischen Leistung beruhen.
Spaßbrille nicht urheberrechtlich geschützt
Eine solche künstlerische Leistung verneinte das Oberlandesgericht Düsseldorf in Bezug auf eine Spaßbrille für ein Hasenkostüm:
„Der Erschaffer der Spaßbrille nutzt den Gestaltungsspielraum nicht in origineller, eigenschöpferischer Weise, wobei der Gestaltungsspielraum durch den Gebrauchszweck verengt ist. Durch den Zweck als Hasenkostümierung ist die Formgebung bereits in gewissem Maße vorgegeben […]. Die Gestaltung der Brille ist hauptsächlich diesem Gebrauchszweck und der technischen Ausführbarkeit geschuldet.“
OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.09.2020 – 20 U 27/19
Wie wird die Gestaltungshöhe praktisch ermittelt?
Im gerichtlichen Verfahren muss die Seite, die sich auf den Urheberrechtsschutz beruft, darlegen und beweisen, dass das Werk schutzfähig ist. Dazu genügt es in der Regel, darzulegen, durch welche Merkmale sich die Gestaltung von anderen abhebt. Eine Gestaltungshöhe kann sich dabei auch durch eine neue Kombination bekannter Elemente ergeben.
Die Gegenseite muss im Anschluss aufzeigen, dass das Design des Produkts lediglich auf bereits bekannte Gestaltungen zurückgreift. Dies geschieht in der Praxis durch eine umfangreiche Recherche, zum Teil werden alten Kataloge oder Werbeanzeigen herangezogen. Neben dieser aufwendigen Arbeit müssen die Ergebnisse gesichtet und rechtlich bewertet werden.
Vorbekannter Formenschatz
Frühere Gestaltungen werden auch als „vorbekannter Formenschatz“ bezeichnet. Als Formenschatz berücksichtigt werden alle Werke, die älter sind als das Design, um das es geht.
Darüber hinaus wird sich die Gegenseite möglicherweise zwei weiteren Argumenten verteidigen:
- Die Gestaltung sei (nahezu) ausschließlich technisch bedingt oder
- die kreative Entscheidungsfreiheit sei durch anderweitige Vorgaben (z.B. Anforderungen oder Aufgabenstellung der Auftraggeberin) eingeschränkt gewesen.
Dazu bedarf es aber eines konkreten Vortrags. Eine pauschale Behauptung muss das Gericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen. Auch hier braucht es also eine gründliche Recherche.
Wann ist eine Kopie eine Kopie?
Eine Urheberrechtsverletzung liegt nur vor, wenn eine geschützte Gestaltung übernommen oder anderweitig verwertet wird. Dabei stellt sich die Frage, wie mit Abweichungen umzugehen ist, wenn also keine identische Übernahme erfolgt.
Die Rechtsprechung löst dies wie folgt:
- Zunächst ist festzustellen, welche Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werks bestimmen.
- Sodann ist durch Vergleich der beiden Gestaltungen zu ermitteln, ob und ggf. in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werks übernommen wurden.
Stimmt danach der jeweilige Gesamteindruck überein, handelt es sich bei der neuen Gestaltung um eine Übernahme des älteren Werks
Kindertaschen mit Tierköpfen
Das Landgericht Köln musste diese Frage für Kindertaschen entscheiden. Ein Hersteller verklagte den Discounter ALDI, weil dieser ähnliche Taschen mit abgesetzten Tierköpfen verkaufte (links das „Original“ als Zeichnung, rechts die „Kopie“):
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es eine Vielzahl von Änderungen vorlagen, u.a. die Kopfform, der Mund und die herausgestreckte Zunge. Auch wenn die Taschen des Discounters erkennbar von der Gestaltung der Klägerin „inspiriert“ waren, nahm das Landgericht keine Urheberrechtsverletzung an.
LG Köln, Urteil vom 25.05.2023 – 14 O 83/23
Designschutz durch Eintragung
Neben dem Urheberrecht gibt es auch die Möglichkeit, Designs von Produkten durch eine Eintragung im Designregister schützen zu lassen. Eine solche Eintragung hat handfeste Vorteile. Vor allem wird der Nachweis erleichtert, wer Inhaber:in des Schutzrechts ist. Das ist vor allem bei der Vergabe von Lizenzen interessant.
Eintragungsfähig sind alle möglichen Designs, z.B. von Bekleidung, Möbeln, Fahrzeugen, Stoffen, Ziergegenständen oder grafischen Symbolen. Selbst die Verpackung einer Ware kann als Design geschützt werden.
Ein Design sollte immer so früh wie möglich angemeldet werden. Denn wie im Markenrecht gilt, dass die frühere Anmeldung zählt.
Eingetragenes Design und eingetragenes Geschmacksmuster
Der Schutz eines eingetragenen Designs kann nur für Deutschland beansprucht werden. Zuständig für die Eintragung ist das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA). Europäische Designs werden Geschmacksmuster genannt und werden beim Europäischen Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragen.
Schutzfähig ist ein Design nach § 2 Designgesetz, wenn es
- zum Zeitpunkt der Anmeldung neu ist und
- Eigenart aufweist.
Das DPMA nimmt aber nur eine formale Prüfung des Antrags vor. Es beurteilt also nicht, ob das Design neu ist, also zu Recht eingetragen wird. Daher können einem Fehler bei der Anmeldung schnell auf die Füße fallen.
Mit der Eintragung gilt der Schutz für fünf Jahre und kann dann verlängert werden. Die maximale Schutzdauer sind 25 Jahre. Die Gebühren für die Anmeldung sind überschaubar, hinzu kommen ggf. Beratungskosten.
Wettbewerbsrecht und Designschutz
In bestimmten Fällen können Produktdesigns auch wettbewerbsrechtlich geschützt sein. Nachahmungen sind nach § 4 Nr. 3 UWG unzulässig, wenn
- eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeigeführt wird,
- die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt wird oder
- das nachahmende Unternehmen die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.
Voraussetzung für alle drei Varianten ist, dass das Produkt wettbewerbsrechtliche Eigenart aufweist. Ist dies nicht der Fall, kommen wettbewerbsrechtliche Ansprüche nicht in Betracht.
Wettbewerbliche Eigenart
„Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Ein Erzeugnis hat keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Dies kann auch darauf beruhen, dass ein ursprünglich wettbewerblich eigenartiges Produkt nicht mehr oder nur noch in einer abweichenden Erscheinungsform oder mit abweichenden besonderen Merkmalen vertrieben wird und deshalb die zunächst herkunftshinweisenden Merkmale nicht mehr aufweist“Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Ein Erzeugnis hat keine wettbewerbliche Eigenart, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet. Dies kann auch darauf beruhen, dass ein ursprünglich wettbewerblich eigenartiges Produkt nicht mehr oder nur noch in einer abweichenden Erscheinungsform oder mit abweichenden besonderen Merkmalen vertrieben wird und deshalb die zunächst herkunftshinweisenden Merkmale nicht mehr aufweist“
BGH, Urteil vom 22.09.2021 – I ZR 192/20 – Flying V
Rechtliches Vorgehen bei Urheberrechtsverletzungen
Verletzt ein Produktdesign das Urheberrecht, können Rechteinhaber:innen dagegen vorgehen. Zunächst muss dem Verletzer außergerichtlich die Gelegenheit gegeben werden, sein Handeln zu unterlassen. Dies erfolgt durch eine Abmahnung, verbunden mit der Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Vorsicht bei der Abmahnung
Das Urheberrechtsgesetz stellt hohe formale Anforderungen an die Abmahnung, die mitunter sogar von Fachanwälten nicht eingehalten werden. Die Folgen sind gravierend: Nach § 97a Abs. 2 Satz 2 UrhG ist die Abmahnung unwirksam und der Abgemahnte kann Erstattung seiner Anwaltskosten verlangen – und das auch dann, wenn eine Urheberrechtsverletzung gegeben war.
Gibt der Verletzer keine Unterlassungserklärung ab oder ist eine abgegebene Erklärung unzureichend, kann sich ein gerichtliches Verfahren anschließen.
- Einstweilige Verfügung: Ein Eilverfahren bei Gericht kann die Rechtsverletzung schnell unterbinden. Das Verfahren hat aber seine Tücken, Rechteinhaber:innen sollten sich daherunbedingt durch spezialisierte Anwältinnen und Anwälte vertreten lassen. Besonderes Augenmerk sollte auch darauf gelegt werden, dass eine einstweilige Verfügung nach § 945 ZPO einen Anspruch auf Schadensersatz begründen kann, wenn sie später aufgehoben wird.
- Hauptsacheklage: Alternativ kann ein „normales“ Klageverfahren eingeleitet werden. Dieses dauert allerdings deutlich länger und erst mit rechtskräftigem Urteil kann die Gegenseite zur Unterlassung gewzungen werden.
Wenn Sie eine einstweilige Verfügung erwirken wollen, müssen Sie zudem schnell sein. In der Regel darf seit Kenntnis von der Rechtsverletzung nicht mehr als ein Monat vergangen sein. Andernfalls riskieren Sie, dass das Gericht die Sache nicht als dringlich ansieht.
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