Satire – Was ist rechtlich erlaubt und was ist verboten?

Man soll über Geschmack nicht streiten, aber manchmal ist es notwendig. Satire testet Grenzen aus. Beißender Spott tut weh – und beschäftigt deshalb auch immer wieder die Gerichte. Auch wenn Meinungs- und Kunstfreiheit durch das Grundgesetz geschützt sind: Satire darf nicht alles.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Was erlaubt ist und was verboten, ist aber keine bloße Geschmacksfrage. Landet Satire vor Gericht, dürfen Richterinnen und Richter nicht die „Moralpolizei“ spielen. Sie müssen abwägen, ob ein Beitrag (noch) geschützt ist oder ob Persönlichkeitsrechte überwiegen. In diesem Beitrag erläutern wir die Grundlagen des Schutzes von Satire.

Was ist Satire?

Worüber reden wir eigentlich, wenn wir von Satire sprechen? Schon diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Nicht jeder Witz oder Sich-über-jemanden-lustig-machen ist auch Satire. Es geht darum, ein Anliegen in besonderer Form zu transportieren. In der Wikipedia heißt es:

Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden.

Kennzeichnend für die Satire ist, dass sie eine Sachaussage trifft und mit dem Mittel der Übertreibung bewusst ein Spott- oder Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt.

Es geht also nicht um die stumpfe Beleidigung einer Person, nicht um einen bloßen Angriff, sondern um eine Kritik an tatsächlichen Zuständen. Es macht nun einmal einen Unterschied, eine Person wegen ihres Handelns zu kritisieren oder ihre Person unabhängig hiervon herabzuwürdigen.

Satireformate im Fernsehen

Beispiele für Satire in den Medien finden sich viele. Prominente Vertreter im Fernsehen sind das „ZDF Magazin Royale“, die „Heute Show“ oder „extra 3“. In allen Formaten werden gesellschaftliche Themen aufgegriffen.

Ist Satire Kunst?

Nicht jede Satire ist Kunst im Sinne der durch das Grundgesetz in Art. 5 GG geschützten Kunstfreiheit. Der Begriff der „Kunst“ entzieht sich einer feststehenden Definition. Dennoch müssen die Gerichte beurteilen, ob ein Beitrag als „Kunst“ einzustufen ist, wenn sie ermitteln wollen, ob ein Beitrag die Kunstfreiheit für sich in Anspruch nehmen kann.

Allgemein liegt Kunst vor, wenn das Werk ein Produkt freier schöpferischer Gestaltung ist, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden, indem Intuition, Fantasie und Kunstverstand zusammenwirken.

Dabei spricht es nicht gegen Kunst, wenn eine Meinung kundgetan wird. Kunst und Meinungsäußerung schließen sich nicht aus. Merkmal der Kunst ist aber, dass die Mitteilung nicht im Vordergrund steht, sondern der Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers bzw. der Künstlerin.

Rhetorische Stilmittel

Die Verwendung rhetorischer Stilmittel macht einen Beitrag noch nicht zu Kunst. Dies entschied das Landgericht Frankfurt am Main im Fall eines rechten Onlinemagazins, das sich über eine trans Frau lustig machte. Die Formulierung „Totalitär tickende Trans-Furie zieht den Schwanz ein“ wertete das Gericht als Persönlichkeitsrechtsverletzung (siehe auch unsere Pressemitteilung zum Urteil).

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.06.2023 – 2-03 O 204/23

Die Gerichte dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur zwischen Kunst und Nichtkunst unterscheiden. Sie dürfen aber keine „Niveaukontrolle“ vornehmen. Daher ist es den Gerichten nicht erlaubt zu bewerten, ob ein Beitrag „höhere“ und „niedere“, „gute“ und „schlechte“ (und deshalb nicht oder weniger schutzwürdiger) Kunst ist, liefe demgegenüber auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Inhaltskontrolle hinaus.

Darüber hinaus gilt, dass ein Beitrag im Zweifel in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt. Die Gerichte müssen einen eher großzügigen Maßstab anlegen.

In jedem Fall sind satirische Beiträge aber als Meinungsäußerungen durch die Meinungsfreiheit geschützt.

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Wann ist Satire zulässig und wann verboten?

Egal ob nun Meinung oder sogar Kunst: Verletzt ein Beitrag das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person, ist er unzulässig. Dafür bedarf es einer Abwägung: Überwiegt das mit dem Beitrag verfolgte kommunikative Anliegen oder das Persönlichkeitsrecht?

Die Gerichte prüfen satirische Beiträge in zwei Schritten:

Zweistufige Prüfung

  • Ermittlung des Aussagekerns
    Zuerst ist die „satirische Einkleidung“ von der Sachaussage zu trennen. Grund hierfür ist, dass die Satire gerade mit Überzeichnungen arbeitet. Für die Einkleidung“ gilt deshalb ein großzügigerer Maßstab als für die Sachaussage.
  • Getrennte Beurteilung von Aussagekern und Einkleidung
    Aussagekern und Einkleidung sind sodann einer gesonderten rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Enthält beispielsweise bereits der Aussagekern eine Falschbehauptung, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Einkleidung zulässig ist.

Besonders gut lässt sich das Vorgehen der Rechtsprechung am „Schmähgedicht“ des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann aufzeigen. Der geschmähte türkische Präsident Erdoğan verlangte eine Unterlassung in Bezug auf zahlreiche Passagen.

Die Böhmermann-Affäre

Die Auseinandersetzung wuchs sich zur Böhmermann-Affäre aus, auch weil die Türkei unter Berufung auf den damals geltenden § 103 StGB eine strafrechtliche Verfolgung des Satirikers verlangte. Der Paragraf, der die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellte, wurde später gestrichen.

Das Oberlandesgericht Hamburg untersagte einen Teil des Gedichts. Es ordnete dieses als Kunst ein. Zwar bestehe es im Wesentlichen aus herabsetzenden Werturteilen über Erdoğan, es fehle ihm aber ein Aussagekern im Sinn einer mit den Versen beabsichtigten inhaltlichen Aussage nicht. Gleichwohl sah das Gericht rechtliche Grenzen als überschritten an.

Wie das Oberlandesgericht Hamburg argumentiert, illustrieren wir nachfolgend anhand von zwei Beispielen:

Zulässig Unzulässig
„Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdoğan, der Präsident.“ „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner.“
Mit den Versen soll Kritik daran geübt werden, dass Erdoğan die von einem Fernsehmagazin geübte Kritik an seiner Herrschaft nicht hingenommen hat, sondern wegen dieser Kritik den deutschen Botschafter hat einbestellen lassen. Das deckt Meinungsäußerungen wie „feige“ und „verklemmt“, mit denen Böhmermann zum Ausdruck bringt, dass Erdoğan aus seiner Sicht nicht entspannt und souverän mit Kritik umgehe. Die Nutzung von Bildern aus dem Intimbereich zur Charakterisierung von Personen wird auch im westeuropäischen Kulturbereich als schwer beleidigend empfunden, wobei der beleidigende Charakter auch dann gegeben ist, wenn dem Rezipienten mit der Verwendung solcher Bilder kein entsprechender tatsächlicher Gehalt vermittelt werden soll. Hier fehlt der angegriffenen Äußerung jeglicher Zusammenhang zwischen einer beabsichtigten kritischen Aussage und der dafür gewählten Einkleidung.

Oft agiert die Satire mit Falschbehauptungen, zum Beispiel gefälschten Interviews oder Fotomontagen. Die Gerichte müssen dann den Aussagekern daraufhin prüfen, ob erkennbar ist, dass es sich um eine Verfremdung oder Übertreibung handelt. Die Frage lautet: Können Leser:innen die Behauptung für ihre Meinungsbildung bewertend einordnen oder kommen sie zu der irrigen Einschätzung, die Aussage sei tatsächlich wahr?

Die Anstalt

In der Satiresendung „Die Anstalt“ wurde eine Schautafel gezeigt, auf der ein Journalist abgebildet war. Durch Linien wurde er mit acht Lobbyorganisationen verbunden. Das OLG Hamburg entschied, dass der Aussagekern, wonach der Journalist sei bei diesen Organisationen in irgendeiner Weise persönlich tätig, falsch und daher zu unterlassen sei.

OLG Hamburg, Urteil vom 08.09.2015 – 7 U 121/14

Ein Fake-Interview mit einer Politikerin hat das Landgericht Hamburg als zulässig angesehen. Mit dem angeblichen Interview werde Kritik an den Positionen und Forderungen der Politikerin geübt, indem ihr zur Erläuterung ihrer Forderungen Worte in den Mund gelegt würden, die ihre Position in grotesker Weise überzeichneten. Die Leser des Artikels „durchschauten“ dies auch und würden die Satire erkennen. Ein Verständnis, dass die Politikerin aktiv an dem Satire-Interview mitgewirkt habe, sei fernliegend (LG Hamburg, Urteil vom 26.8.2022 – 324 O 85/22).

Kein Original, aber dafür anschaulich: Einleitung eines Fake-Interviews (Montage durch uns).

Unzulässig ist Satire, mit der die Menschenwürde einer Person angegriffen wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits in den 1980er-Jahren entschieden.

Die linke Zeitschrift „konkret“ hatte mehrere Karikaturen veröffentlicht, in denen der CSU-Hardliner Franz Josef Strauß als „sich sexuell betätigendes Schwein“ dargestellt worden war. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts berührten diese Darstellungen die Menschenwürde, denn sie sollten ausdrücken, dass Strauß „tierische“ Wesenszüge habe und sich entsprechend benehme. Gerade die Darstellung sexuellen Verhaltens habe ihn als Person entwerten, ihn seiner Würde als Mensch entkleiden sollen.

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„Sie sind sich unsicher, ob ein satirischer Beitrag erlaubt ist? Wir schätzen die Rechtslage im Rahmen einer Erstberatung für Sie ein.“


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Fotomontagen und Satire

Wird eine Person in einer satirischen Fotomontage abgebildet, stellt sich die Frage, ob sie die Abbildung dulden muss. Nach § 22 des Kunsturhebergesetzes (KUG) darf ein Bildnis nur mit der Einwilligung der abgebildeten Person öffentlich zur Schau gestellt werden.

Eine Ausnahme gilt für Veröffentlichungen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) oder wenn diese einem höheren Interesse der Kunst dienen (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG).

Urheberrechtlich kann die Verwendung von Fotos oder Videos nach § 51a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) zulässig sein:

Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches.

§ 51a Satz 1 UrhG

Was erlaubt ist, hat das Oberlandesgericht Hamburg in einer interessanten Entscheidung verdeutlicht. Ein Rechtsanwalt verlangte Unterlassung wegen eines Beitrags, in dem ein Foto von ihm abgebildet worden war. Es handelte sich um eine Instagram-Story, die wir zur Veranschaulichung einmal nachgebaut haben (nein, ich war an dem Verfahren nicht beteiligt):

Das Gericht sah hierin eine Parodie im Sinne des § 51a UrhG. Dabei muss sich die Parodie nicht zwingend durch besondere Tiefsinnigkeit auszeichnen. Erforderlich ist aber trotzdem immer eine Abwägung der Interessen des Urhebers bzw. der Urheberin mit denen der veröffentlichenden Person.

Strafrechtliche Risiken bei Satire

Betroffene von Satire können, wenn diese unzulässig ist, rechtlich gegen die Veröffentlichung vorgehen. Sie können Unterlassung verlangen und (in schwerwiegenden Fällen) auch eine Geldentschädigung (mehr hierzu in unserem Artikel Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung).

Strafrechtlich kann auf die Verfasser:innen ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung (§ 185 StGB) oder übler Nachrede (§ 186 StGB) zukommen. Dabei müssen die Behörden aber die oben beschriebenen grundrechtlichen Abwägungen vornehmen.

Das klappt mal besser und mal schlechter, wie Wahlplakate der Partei Die PARTEI regelmäßig zeigen:

Beide sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt, trotzdem wurde ermittelt. Im Falle von „Nazis töten.“ hängte die Polizei in Bielefeld die Plakate ab. Zu Unrecht, wie das Amtsgericht feststellte:

Das Plakat „Feminismus, ihr Fotzen“ brachte eine Kandidatin der Partei sogar vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Volksverhetzung und der Beleidigung als erfüllt ansah. Das Amtsgericht sprach sie frei, die Revision der Staatsanwaltschaft blieb beim Bayerischen Obersten Landesgericht erfolglos (wir haben die Betroffene in dem Verfahren vertreten).

Dass die Plakate einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten und daher durch die Meinungsfreiheit geschützt sind, sollte einleuchten.

Die Verfahren zeigen aber: Nicht alle verstehen Satire und manchmal brauchen die Behörden in Sachen Humor etwas Nachhilfe. Wir helfen dabei gerne.

Dieser Beitrag wurde unter Mitarbeit von Rechtsreferendarin Sophie Hartmann erstellt.

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