- Reichelt-Unternehmen bezeichnete Trans-Frau als „Mann“
- Historisches Urteil: Landgericht nimmt Verletzung von Persönlichkeitsrecht an
- Oberlandesgericht beabsichtigt nun, die Berufung zurückzuweisen
Mit Urteil vom 06.07.2023 verpflichtete das Landgericht Frankfurt am Main die Rome Medien GmbH, ein von Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt geführtes Unternehmen, und deren Autorin Judith Sevinç Basad, es zu unterlassen, die Trans-Frau Janka Kluge in einem Artikel als „Mann“ zu bezeichnen. Damit hatte erstmals ein Gericht entschieden, dass sich Betroffene gegen Misgendern presserechtlich zur Wehr setzen können. Rome Medien legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein.
Nun hat der Pressesenat des Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 21.12.2023 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung einstimmig zurückzuweisen. Das Landgericht habe zutreffend angenommen, dass die Bezeichnung als „Mann“ eine Meinungsäußerung darstelle, die herabwürdigend sei.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwerwiegend ist:
„Denn der Umstand, dass die Klägerin offen mit ihrem biologischen Geschlecht, ihrer Lebensgeschichte und ihrem Leben als TransFrau umgeht, bedeutet nicht, dass die im Artikel durch die Bezeichnung als ‚Mann‘ erfolgte Aberkennung ihres seit mehreren Jahrzehnten gelebten sozialen Geschlechts nur gering wiegt. Denn gerade durch den offenen Umgang der Klägerin mit ihrem Schicksal, als biologischer Junge geboren worden zu sein und in der Folge mit den damit verbundenen Belastungen und Schwierigkeiten letztlich das Leben offen als Trans-Frau zu führen, zeigt gerade welche überragende Bedeutung die Anerkennung der geschlechtlichen Identität in diesem Fall hat, weshalb ein Eingriff in dieser Sphäre nicht nur gering ist. Dies gilt insbesondere, da das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, dass der Zuordnung zu einem Geschlecht für die individuelle Identität im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herausragende Bedeutung zukommt, da sie typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei einnehme, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen werde (vgl. BVerfG, NJW 2017, 3643).“
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.12.2023 – 16 U 93/23
Hierzu erklärt Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge, der Janka Kluge im Verfahren vertritt:
„Misgendern greift schwerwiegend in Persönlichkeitsrechte ein – und ist in diesem Fall rechtswidrig. Rome Medien wird also voraussichtlich nicht mit der fadenscheinigen Begründung durchdringen, man habe nur auf das biologische Geschlecht von Janka Kluge hinweisen wollen. Bewusstes Misgendern ist noch immer alltäglich und es hat große Auswirkungen auf die Betroffenen. Der Kern ihrer Persönlichkeit wird mitunter permanent infrage gestellt. Das Verfahren ist von großer Bedeutung, denn es zeigt, dass sich Betroffene sich wehren können.“
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten eine Frist von drei Wochen gesetzt und angeregt, die Berufung zurückzunehmen.
Entscheidung im Volltext
OLG Fankfurt am Main, Beschluss vom 21.12.2023 – 16 U 93/23