LG Köln, Beschl. v. 17.08.2021 – 28 T 13/21 – Dringlichkeit trotz Fotolöschung

Landgericht Köln

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Beschluss

In dem Beschwerdeverfahren

Antragstellers und Beschwerdeführers,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Prigge, Kasernenstraße 23, 40213 Düsseldorf

gegen

Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte K.

hat die 28. Zivilkammer
am 17.08.2021
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. E., den Richter am Landgericht Sch. und den Richter Dr. H.

beschlossen:

I. Das Verfahren zur Entscheidung über die Beschwerde wird auf die Kammer übertragen.

II. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 09.08.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 03.08.2021, Az. 135 C 316/21, aufgehoben und im Wege der

einstweiligen Verfügung

angeordnet:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, verboten,

das nachfolgende Bildnis des Antragstellers ohne dessen Einwilligung zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder öffentlich zur Schau zu stellen und/oder öffentlich zur Schau stellen zu lassen,

wenn dies geschieht wie in dem Beitrag der Antragsgegnerin in ihrem Profil bei Facebook am 04.06.2021 und nachfolgend dargestellt:

[Darstellung des Bildnisses]

III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

IV. Der Streitwert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I)
Die Entscheidung über die Übertragung auf die Kammer folgt aus § 568 ZPO.

II)
Die sofortige Beschwerde vom 09.08.2021 ist zulässig und begründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 02.07.2021 ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat das Vorliegen des Verfügungsgrundes und des Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht.

1.

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 937 Abs. 2 ZPO) liegen angesichts der im Äußerungsrecht bestehenden Interessenlage vor, zumal der Antragsteller das Verfahren zügig betrieben, insbesondere innerhalb eines Monats nach Kenntniserlangung von der Rechtsverletzung den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereicht hat. Die Antragsgegnerin wurde angehört.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerung bzw. des beanstandeten Verhaltens zu rechnen ist (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 12 Rn. 144 f.). In der Praxis des Presse- und Äußerungsrechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesonderedurch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne Weiteres bejaht (vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 325; Korte, Praxis des PresseR, § 5 Rn. 108 mwN; OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 1435). Ein Fall der Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist dann anzunehmen, wenn der Antragsteller in Kenntnis der maßgeblichen Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst nach längerer Zeit stellt (vgl. Vollkommer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage 2020, § 940 ZPO, Rn. 4). Auch wenn in diesem Bereich bestimmte Fristen nur als Anhaltspunkt dienen können, ist in der Regel von fehlender Dringlichkeit auszugehen, wenn der Antragsteller nach Kenntnisnahme der Rechtsverletzung ohne zwingende Gründe einen Zeitraum von mehr als einem Monat bis zur Antragstellung verstreichen lässt (OLG Köln, GRUR-RR 2010, 493 – Ausgelagerte Rechtsabteilung; OLG Köln, Beschl. v. 18.08.2015 – 6 W 64/15; ständige Rechtsprechung der schwerpunktmäßig mit Presse- und Äußerungsrecht befassten Kammer). Ein derartiges Zuwarten des Antragstellers liegt hier nicht vor.

Soweit das Amtsgericht argumentiert, dass es an einem Verfügungsgrund fehle, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine bevorstehende Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot bestehen würden, folgt die Kammer dem nicht. Auch wenn die Antragsgegnerin das Foto aus dem vom Antragsteller insbesondere beanstandeten Beitrag im sozialen Netzwerk ‚Facebook‘ mittlerweile entfernt hat, hat sie gerade keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Es besteht daher jederzeit die Möglichkeit, dass sie das streitgegenständliche Bildnis wieder veröffentlicht, ohne dass der Antragsteller dagegen einschreiten könnte. Der Antragsteller verweist zutreffend darauf, dass dies von ihm nicht hinzunehmen ist. Der weiteren Darlegung einer Eilbedürftigkeit bedarf es nicht.

2.

Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da bei der mangels Einwilligung gemäß § 22 S. 1 KUG im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Interessen das Recht des Antragstellers am eigenen Bild (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) die Meinungsfreiheit der Antragsgegnerin (Art. 5 Abs. 1 GG) überwiegt. Der Antragsteller hat dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 29.06.2021 glaubhaft gemacht, dass er eine Einwilligung zur Veröffentlichung des Bildnisses nicht erteilt hat. Ein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin an der Verbreitung des Bildnisses ist demgegenüber nicht ersichtlich.

3.

Soweit der Tenor der einstweiligen Verfügung von dem gestellten Antrag abweicht, hat die Kammer den Antrag ausgelegt bzw. von dem ihr durch § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht, ohne dass damit eine Teilzurückweisung erfolgt wäre.

Die Zustellung der Beschlussverfügung erfolgt angesichts der Beteiligung der Antragsgegnerseite von Amts wegen. Dies berührt die Pflichten aus §§ 936, 929 ZPO (Vollziehung) nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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