LDI: Anonyme Antragstellung grundsätzlich zulässig
Das Projekt, das von der Open Knowledge Foundation getragen wird, ist einigen Behörden ein Dorn im Auge. Informationen aus Akten rausgeben? Und dann stehen die auch noch in diesem Internet? Immer wieder werden über Frag den Staat gestellte Anträge unter einem Vorwand abgelehnt. Aktuell beliebter Ablehnungsgrund: Es fehlt an einer Postadresse. Eine pseudonyme oder anonyme Antragstellung sei nicht zulässig, weil Antragstellerin bzw. Antragsteller nicht sicher zu identifizieren sei.
Dem ist nun der (seit kurzem ehemalige) NRW-Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) in seinem aktuellen (insgesamt lesenswerten) Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht entgegengetreten und dreht die Argumentation um. Aus Datenschutzgründen dürften die Behörden nur auf eine Identifizierung bestehen, wenn dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich sei.
Ob ein Informationsanspruch ganz oder teilweise abgelehnt werden muss, dürfte regelmäßig bei Antragstellung noch nicht feststehen, so dass diese Erwägung kein Grund für eine Identifizierung sein kann. Ist dem Antrag stattzugeben, kann die gewünschte Information in der Regel erteilt werden, ohne dass es hierzu der Angabe einer Postanschrift bedarf. In diesen Fällen ist die Feststellung der Identität der Antragstellenden für die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Stelle nicht erforderlich und somit unzulässig.
Etwas anderes gelte nur, wenn der Antrag eine Gebührenpflicht auslöse, in Ausnahmefällen ein Dritter einwilligen oder der Antragsteller ein rechtliches Interesse geltend machen müsse. In diesem Falle könne der Betroffene kontaktiert und um Mitteilung der Postanschrift gebeten werden.
Veröffentlichung im Internet kein Ablehnungsgrund
Warum ein Informationsfreiheitsgesetz, wenn die Informationen nicht verwendet werden? Viele Behörden sehen das offenbar anders und meinen, sie könnten eine Veröffentlichung im Internet dadurch verhindern, dass sie ihr widersprechen. Geht nicht, sagt der Landesbeauftragte. Der Gesetzgeber habe einen solchen Ablehnungsgrund nicht in das Gesetz aufgenommen, darauf habe bereits das Oberverwaltungsgericht NRW hingewiesen (OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02).
Landesregierung: Nein, nein nein!
Die Landesregierung hingegen macht in ihrer Stellungnahme deutlich, dass sie von bürgerfreundlichen Projekten wie Frag den Staat nicht viel hält.
„Die Einschaltung von ‚Frag den Staat‘ zur Stellung eines Auskunftsersuchens nach dem IFG NRW hat keine rechtliche Grundlage. […] Besonders schwer wiegt, dass das Verfahren von Frag den Staat‘ die öffentlichen Stellen in ein Verfahren zwingt, das das IFG NRW weder kennt noch erfordert und im Ergebnis darauf hinausläuft, sämtliche elektronischen Auskünfte ohne Rechtsgrundlage in einer Datenbank der Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung zu stellen.“
Ein Vorwand, denn der Übermittlungsweg geht die Behörden nichts an. Warum auch? Ob über GMX, Web.de, Googlemail oder Frag den Staat: Welches technische System für eine Anfrage genutzt wird, ist für die Bearbeitung eines Antrags unerheblich. Letztlich ist Frag den Staat ein E-Mail-Dienst, die Behörden können Anfragen wie jede andere beantworten. In die weitere Verarbeitung und Veröffentlichung ist die Behörde nicht mehr eingebunden. Dass öffentliche Stellen zu irgendeinem Verfahren gezwungen würden, ist schlicht Unsinn.
Weiter verweist die Landesregierung auf die Regelung des § 22 VwVfG NRW, hieraus ergebe das Erfordernis einer Identifizierbarkeit. Ob dieser Einwand im Falle des IFG NRW tatsächlich tragfähig ist, wäre näher zu prüfen. Aus dem Gesetzestext ergibt es sich nicht unmittelbar. Praktische Gründe sprechen, wie der LDI richtig schreibt, nicht gegen eine anonyme oder pseudonyme Antragstellung.
Frag den Staat ein Datenschutzverstoß?
Alarmieren sollte, dass die Landesregierung die Veröffentlichungspraxis von Frag den Staat grundsätzlich ins Visier nimmt.
Ergänzend wäre die Landesregierung dankbar, wenn der LDI sich der Prüfung der datenschutzrechtlichen Frage der Rechtmäßigkeit der von ‚Frag den Staat‘ betriebenen Datenbank annehmen würde.
Konkret stört sie sich daran, dass Beschäftigte in den von Frag den Staat veröffentlichen Dokumenten erwähnt und damit in einer Datenbank erfasst sind. In dieser Frage scheint es zwischen Landesregierung und LDI kräftig zu knirschen.
Die Landesregierung hatte schon im Vorfeld der Veröffentlichung des Datenschutz- und Informationsfreiheitsberichtes den LDI auf diese Problematik hingewiesen, aber hierzu keine abschließende Antwort erhalten.
Es ist schon erstaunlich, dass eine rot-grüne Koalition, die für sich eine Vorreiterrolle im Bereich Open Data in Anspruch nimmt, in dieser Weise gegen den freien Zugang zu staatlichen Informationen argumentiert.
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