- 1. Wann sind Coaching-Verträge überteuert?
- 2. Fragwürdige Methoden beim Vertragsabschluss
- 3. CopeCart, Digistore24 & Co.: Wer ist Vertragspartner?
- 4. Sind überteuerte Coaching-Verträge wirksam?
- 5. Für welche Coaching-Verträge gilt das FernUSG?
- 6. Coaching-Verträge anfechten, widerrufen oder kündigen: So gehen Sie vor
- 7. Coaching-Abzocke: Geld zurück durch Anwalt?
Wann sind Coaching-Verträge überteuert?
Coaching-Anbieter verlangen nicht selten mehrere Tausend Euro für ihre Programme. Die Bandbreite der möglichen Inhalte ist groß, von Beauty über Dropshipping hin zu Social-Media-Marketing. Die Versprechen sind vollmundig und klingen in etwa so:
Bauen Sie sich ein passives Einkommen auf, schon nach kurzer Zeit können Sie monatlich fünfstellige Summen erreichen. 3.000 € und mehr im Monat sind möglich – und das alles ohne Erfahrung!
Kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder, denn die Masche ist weitverbreitet, wie auch das ZDF Magazin Royale in einem Beitrag gezeigt hat:
In der Realität ist aber äußerst zweifelhaft, ob die angepriesenen Inhalte ihr Geld auch tatsächlich wert sind. Nicht jeder Preis ist rechtlich zulässig. Überteuerte Verträge, bei denen der Preis und die Leistung nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen, können sittenwidrig sein. In diesem Fall ist der Vertrag nichtig und es muss gar nichts bezahlt werden.
Fragwürdige Methoden beim Vertragsabschluss
Um zum Vertragsabschluss zu kommen, nutzen manche Anbieter eine Vielzahl von Tricks. Folgende Techniken zur Manipulation werden häufig genutzt, um Betroffene zu überzeugen:
- Viel versprechen, wenig halten: Es werden Erfolgsgeschichten erzählt, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist.
- 1:1-Betreuung: Es wird mit einer 1:1 Betreuung geworben, der konkrete Inhalt bleibt aber vage.
- Zeitdruck für den Vertragsabschluss: Am Telefon werden Dinge gesagt wie „Wenn du dich nicht sofort entscheidest, hast du einfach nicht das richtige Mindset!“
Gerade weil viele Coaches vorher viel versprechen, dann aber wenig halten, bestehen an der Wirksamkeit von Verträgen mitunter erhebliche Zweifel. Gerichte haben in vielen Entscheidungen bereits gegen die Coaching-Anbieter geurteilt.
Die hohen Kosten werden zum Teil durch angebotene Zahlungspläne verschleiert. Die monatliche Zahlung hat man dann (angeblich) durch die Informationen aus dem Coaching schnell wieder drin. Am Ende profitieren aber vor allem die Anbieter, während die Kundinnen und Kunden mit mittelmäßigen Inhalten abgespeist werden.
Sie haben einen überteuerten Coaching-Vertrag abgeschlossen und wollen diesen widerrufen? Wir beraten Sie zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten.
CopeCart, Digistore24 & Co.: Wer ist Vertragspartner?
Nicht immer sind aber Coaches selbst die Vertragspartner. Viele setzen auf Shopsysteme, die ihnen einen Großteil der administrativen Arbeiten abnehmen.
Vor allem die CopeCart GmbH hat sich als ein Reseller von Coachinginhalten hervorgetan. Das Unternehmen mit Sitz in Berlin bietet nicht nur Lösungen an, mit denen Coaches selbst verkaufen können, sondern wird mitunter auch selbst Vertragspartner.
Auch andere Verkaufsplattformen wie Digistore24 bieten Leistungen im eigenen Namen an. Die Plattform verbietet es Coaches sogar, ihre eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:
Aus rechtlichen Gründen ist es nicht zulässig, eigene AGB und Datenschutzerklärungen auf deinem Digistore24-Bestellformular zu verwenden. Als Vertragspartner sind dort nur unsere AGB und Datenschutzerklärungen rechtsverbindlich.
Deswegen ist es zunächst wichtig, die vertraglichen Vereinbarungen zu überprüfen. Anhand der Bestellbestätigung und Rechnungen kann abgeschätzt werden, wer für die Leistungen einzustehen hat – und wer gegebenenfalls zur Rückzahlung verpflichtet ist.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat zugunsten eines CopeCart-Kunden geurteilt. Das Unternehmen musste mehr als 20.000 € an Coaching-Gebühren zurückzahlen. CopeCart hatte, so das Gericht, einen Fernlehrgang angeboten, ohne aber über die nach § 12 FernUSG erforderliche Zulassung zu verfügen.
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.12.2023 – 13 O 2839/23
Sind überteuerte Coaching-Verträge wirksam?
Im Grundsatz gilt Vertragsfreiheit. Jeder:r kann selbst entscheiden, ob ein Angebot den Preis rechtfertigt. Aber nicht alles ist erlaubt und Verträge können nichtig sein, wenn das Gesetz sie nicht gelten lassen will.
Nichtigkeitsgründe bei Coaching-Verträgen
- Sittenwidrigkeit: Ein Vertrag ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen der Leistung und der Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände vorliegen, die den Vertrag insgesamt als sittenwidrig erscheinen lassen.
- Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot: Verstößt ein Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot, ist gesetzliche Folge nach § 134 BGB, dass er nichtig ist.
- Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung: Hat der Vertragspartner bei Vertragsabschluss arglistig getäuscht oder gedroht, ist der Vertrag nach § 123 BGB anfechtbar. Mit Zugang der Anfechtungserklärung ist der Vertrag dann nichtig.
- Verstoß gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz: Veranstalter von Fernunterricht benötigen eine Zulassung. Fehlt diese, ist der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig.
Zudem kommt ein Widerruf des Vertrags in Betracht – bei einem Fernunterrichtsvertrag sogar unabhängig davon, ob Sie als Verbraucher:in gehandelt haben. Die Rechtsprechung ist hier zwar uneinheitlich, aber viele Gerichte gehen davon aus, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz auch auf Unternehmer:innen anwendbar ist.
So hat unter anderem das OLG Celle vertreten, dass das FernUSG auf Unternehmer:innen anwendbar ist (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2022 – 3 U 85/22).
Für welche Coaching-Verträge gilt das FernUSG?
Damit ein Vertrag nach dem FernUSG nichtig ist, muss dieses für das Vertragsverhältnis anwendbar sein. Dafür muss es sich bei dem Coaching um „Fernunterricht“ im Sinne des Gesetzes handeln:
Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten bei der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind.
Steht im Rahmen eines „Coaching-Vertrags“ aber nicht die Vermittlung von systematisch didaktisch aufbereitetem Lehrstoff und bestimmtem, abgegrenzten Wissen im Vordergrund, sondern erfolgt eher eine individuelle und persönliche Beratung und Begleitung (Coachingleistung, Mentoring), liegt darin ohne Weiteres kein Vertrag, auf dessen Grundlage eine entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 1 FernUSG erfolgt (OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024 – 10 U 44/23).
Die Frage der räumlichen Trennung hat das LG München I dahingehend beantwortet, dass es eine zeitliche Trennung zwischen dem vom Lehrenden „Unterrichteten“ und dem vom Lernenden „Gelernten“ geben müsse. Zoom Calls würden daher, so das Gericht, nicht dem FernUSG unterfallen (LG München I, Endurteil vom 12.02.2024 – 29 O 12157/23).
Voraussetzung ist ferner, dass vertraglich eine Überwachung des Lernerfolgs stattfinden soll. Ausreichend ist, dass der Lernende das Recht hat, eine Überwachung des Lernerfolgs einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (BGH-Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08). Nicht ausreichend ist aber, dass der Coach für individuelle Fragen zur Verfügung steht. Denn darin liegt noch keine Überwachung des Lernerfolgs (OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024 – 10 U 44/23).
Coaching-Verträge anfechten, widerrufen oder kündigen: So gehen Sie vor
Wenn Sie einen Coaching-Vertrag abgeschlossen haben, gehen Sie wie folgt vor:
- Sichern Sie alle Vertragsdokumente und Rechnungen, aber auch die Werbung und sämtliche Kommunikation. Anhang einer guten Dokumentation können Sie nachweisen, was Ihnen versprochen wurde, dies ist die Grundlage für die rechtliche Bewertung.
- Zahlen Sie nicht aus Angst, sondern lassen Sie sich vorher rechtlich beraten. Wenn Sie überweisen, ist das Geld möglicherweise weg, wenn der Coach in einem späteren Verfahren nicht zahlungsfähig ist.
- Lassen Sie prüfen, ob der Vertrag wirksam ist. Dafür sollten Sie Kontakt zu einer Anwaltskanzlei aufnehmen, die Erfahrung mit Onlinevertragsabschlüssen hat. Wir geben Ihnen gerne eine Ersteinschätzung zu Ihrem Fall.
Coaching-Abzocke: Geld zurück durch Anwalt?
In vielen Fällen kann ein Vorgehen über einen Anwalt viel Geld sparen. Denn nicht alle Coaching-Anbieter sind sich ihrer Sache sicher, wenn sie die richtigen Argumente zu hören bekommen. Oftmals gelingt es, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen und damit weniger oder sogar gar nichts bezahlen zu müssen.
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