Gegendarstellung auch bei Verweigerung einer Stellungnahme

Die Gegendarstellung ist im Presserecht eine scharfe Waffe. Wer von einer Veröffentlichung in den Medien betroffen ist, kann durch sie die eigene Position einem breiten Publikum darstellen – und auf diese Weise seinen guten Ruf schützen. Gerade bei Berichten über Straftaten oder vergleichbare Sachverhalte, kann sie geboten sein, um einen weiteren Schaden abzuwenden oder zumindest zu verringern.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung nicht dadurch entfällt, dass der Betroffene auf Anfrage der Jounalistin vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme verweigert hat.

Vorwurf der Schleichwerbung

In dem Verfahren ging es um einen Bericht über Schleichwerbungsvorwürfe gegen einen bekannten Fernsehmoderator. Ein Nachrichtenmagazin berichtete, er habe welcher in Fernsehsendungen Werbung für Produkte verschiedener Firmen versteckt platziert. § 7 Abs. 7 des Rundfunkstaatsvertrags untersagt diese Form der Absatzförderung:

Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sowie entsprechende Praktiken sind unzulässig.

Die engen Ausnahmen von dieser Grundregel ergeben sich aus den weiteren Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags.

Vor der Veröffentlichung konfrontierte der Redakteur den Anwalt des Moderators mit der geplanten Berichterstattung und forderte ihn zu einer Stellungnahme auf. Der Anwalt wies die Vorwürfe telefonisch zurück und äußerte, sein Mandant gebe keine Erklärung ab. Darüber hinaus verlangte er, dass der Inhalt des Telefonats für die geplante Berichterstattung nicht verwendet werden dürfe.

Nach der Veröffentlichung ging bei dem Verlag des Magazins ein Schreiben ein, mit dem der von der Veröffentlichung betroffene Moderator den Abdruck einer Gegendarstellung verlangte. Nachdem der Verlag dies zurückwies, beantragte er beim Landgericht eine einstweilige Verfügung. Das Landgericht gab dem Antrag statt, die Berufung des Verlags wies das Oberlandesgericht zurück. Die hiergegen durch den Verlag erhobene Verfassungsbeschwerde blieb ebenfalls erfolglos.

BVerfG: Keine Obliegenheit zur Stellungnahme

Die Entscheidungen der Gerichte verletzen den Beschwerdeführer nicht in seiner Meinungs- und Pressefreiheit, so das Bundesverfassungsgericht. Wer von einem Medienbericht betroffen ist, muss im Vorfeld nicht Stellung nehmen, um sein Recht auf Gegendarstellung zu behalten:

Es besteht keine Obliegenheit, sich im Vorfeld einer geplanten Berichterstattung zu dieser zu äußern und Stellung zu beziehen. Die Gründe, von einer Stellungnahme abzusehen, können vielfältig sein. Die Annahme einer Obliegenheit zur Stellungnahme würde zu einer Verpflichtung erwachsen, auch an einer gegen den eigenen Willen geplanten Berichterstattung mitzuwirken, nur um den Anspruch auf Gegendarstellung zu behalten. Im Übrigen hätte sie zur Folge, dass sich Medienunternehmen Gegendarstellungsansprüchen entziehen könnten, indem sie den Betroffenen vorab um Stellungnahme bitten. Dies würde das Gegendarstellungsrecht entwerten. […]

Das Gegendarstellungsrecht soll Betroffenen die Möglichkeit einräumen, Tatsachenbehauptungen entgegen zu treten und damit deren Wahrheitsgehalt in Frage zu stellen. Der Schutzzweck reicht weiter als lediglich die nachträgliche Möglichkeit zu Wort zu kommen, falls dies in der Erstberichterstattung nicht ausreichend geschehen ist. Wird der vom Betroffenen geäußerte Standpunkt neutral dargestellt, entfällt zwar in der Regel der spätere Gegendarstellungsanspruch. Ein grundsätzlicher Verlust des Gegendarstellungsanspruchs bei unterlassener Stellungnahme würde dem Schutzzweck jedoch nicht gerecht.

Diese Ausführungen überzeugen. Denn eine Stellunanhme kann für den Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben. Gerade bei komplexen Sachlagen kann es sinnvoll sein, auf eine Anfrage der Medien zu schweigen. Frühzeitige oder unbedachte Äußerungen können sich später zu handfesten Problemen auswachsen.

In jedem Falle sollte schon bei der ersten Anfrage einer Journalistin ein Medienrechtsanwalt hinzugezogen werden, um die Reputation des Betroffenen von Beginn an bestmöglich zu schützen. Erst Recht sollte die Aufforderung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung wegen der engen Fristen und der hohen formalen Anforderungen durch einen Spezialisten erfolgen.

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