Wie läuft das Verfahren ab?
Der Antragsteller wird seine Ansprüche zunächst mit einer Abmahnung geltend machen. Weigert sich der Antragsgegner, die Forderung zu erfüllen, kann der Antragsteller entscheiden, ob er Klage erheben will. Ein Klageverfahren dauert allerdings in vielen Fällen zu lange.
Mit einer einstweiligen Verfügung kann eine vorläufige Regelung erwirkt werden. Das Verfahren ist schneller und kostengünstiger, zudem wird auf eine Anhörung der Gegenseite oftmals verzichtet.
Der Antragsteller muss gegenüber dem Gericht glaubhaft machen, dass
- er einen Anspruch gegen den Antragsteller hat (Verfügungsanspruch) und
- die Entscheidung dringlich ist und es ihm nicht zuzumuten ist, ein Klageverfahren abzuwarten (Verfügungsgrund).
Da es sich zunächst um ein schriftliches Verfahren handelt, ist der Antragsteller in seinen Mitteln zur Glaubhaftmachung beschränkt. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens kann beispielsweise nicht beantragt werden. Das Verfahren ist auf eine schnelle Entscheidung ausgelegt.
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
Das Verfahren wird durch den Antrag des Antragstellers bei Gericht eingeleitet. Er muss einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund darlegen und glaubhaft machen. Das Gericht entscheidet dann, gegebenenfalls innerhalb weniger Tage, ob die einstweilige Verfügung erlassen wird. Bestehen Zweifel, ob Anordnungsanspruch oder Anordnungsgrund vorliegen, kann das Gericht den Antragsgegner anhören und einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen oder es kann den Antrag im schriftlichen Verfahren zurückweisen.
Wenn der Antragsgegner eine Entscheidung zu seinen Lasten vermeiden will, kann er dem Gericht durch eine Schutzschrift seine Sicht der Dinge darlegen, sobald er – z.B. aufgrund der Abmahnung – mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechnen muss. Die Schutzschrift wird im bundesweiten Zentralen Schutzschriftenregister eingestellt.
Anhörung der Gegenseite
Früher haben die Gerichte mitunter etwas voreilig einstweilige Verfügungen erlassen. Auch wenn die Sache dringlich ist, kann auf die Anhörung der Gegenseite in der Regel nicht verzichtet werden. Der Hintergrund ist, dass das Grundgesetz ein Recht auf prozessuale Waffengleichheit gewährt. Das Bundesverfassungsgericht hat hier betont, dass das Gericht ein Verfahren nicht einseitig zugunsten des Antragstellers gestalten darf.
Daher gilt: Wurde nicht abgemahnt oder weicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von der Abmahnung ab, muss das Gericht dem Antragsteller in der Regel eine Stellungnahmemöglichkeit geben.
Verfassungsbeschwerde möglich
Unterlässt das Gericht die erforderliche Anhörung, kann der Verstoß gegen das Recht auf prozessuale Waffengleichheit mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Das Bundesverfassungsgericht kann zudem im Wege einer einstweiligen Anordnung dafür sorgen, dass die einstweilige Verfügung bis zur erneuten Entscheidung des Gerichts wirkungslos ist.
Vollziehung der einstweiligen Verfügung
Wird die einstweilige Verfügung erlassen, stellt das Gericht sie dem Antragsteller zu, nicht aber dem Antragsgegner. Anders als in einem Klageverfahren muss der Antragsteller die einstweilige Verfügung durch Zustellung beim Antragsgegner innerhalb eines Monats vollziehen.
Die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ist ein formalisiertes Verfahren. Daher kommt es immer wieder zu Fehlern, beispielsweise:
- Zustellung ohne Anlagen, obwohl das Gericht deren Zustellung angeordnet hat oder im Beschluss auf sie Bezug genommen hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 01.04.2020 – 6 W 34/20);
- Es fehlen eine oder mehrere Seiten der Verfügung oder zuzustellender Anlagen (BGH, Beschluss vom 10.03.1998 – X ZB 31/97);
- Zustellung an die Partei, obwohl sich ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter für das einstweilige Verfügungsverfahren bestellt hat;
- Farbige Anlagen werden in schwarz-weiß beigefügt, obwohl die Farbe für den Umfang der Unterlassungsverpflichtung (mit-)bestimmend ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.04.2014 – 11 W 10/14).
Eine fehlerhafte Zustellung kann dazu führen, dass das Gericht die einstweilige Verfügung allein aus diesem Grunde aufhebt und der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht möglich.
Checkliste: Einstweilige Verfügung
- Unterlassungsgebot beachten
Die einstweilige Verfügung muss mit ihrer Zustellung beachtet werden. Andernfalls kann der Antragsteller durch das Gericht ein Ordnungsmittel festsetzen lassen.
- Reaktion prüfen
Welche Reaktion auf die einstweilige Verfügung sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Ein Anwalt mit Erfahrung in einstweiligen Verfügungsverfahren zeigt die Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen auf.
- 2-Wochen-Frist beachten
Mit Zustellung der einstweiligen Verfügung hat der Antragsgegner zwei Wochen, um die Rechtslage zu prüfen und zu überlegen, wie er reagieren möchte. Danach kann der Antragsteller ein Abschlussschreiben aufsetzen, mit dem der Antragsgegner aufgefordert wird, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen. Dies ist vielfach nicht bekannt, das Abschlussschreiben kann allerdings zusätzliche Rechtsanwaltskosten auslösen. Daher sollte die Erklärungsfrist unbedingt eingehalten werden.
Einstweilige Verfügung: Was kann ein Anwalt tun?
Droht eine einstweilige Verfügung oder ist sie bereits erlassen, prüft ein Rechtsanwalt die Chancen und Risiken eines gerichtlichen Verfahrens. Das Verfahren bei einstweiligen Verfügungen ist kompliziert und bietet viele Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Bei unberechtigten einstweiligen Verfügungen kommt zudem ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO in Betracht.
Wurde die Verfügung zu Recht erlassen, unterstützt ein Rechtsanwalt bei den sich anschließenden Fragen, beispielsweise welches Verhalten noch erlaubt ist und wie betriebliche Prozesse umgestellt werden müssen. Soll der Rechtsstreit beendet werden, wird ein Rechtsanwalt eine Abschlusserklärung abgeben.
Bei einer einstweiligen Verfügung sollten Sie schnell handeln. Nehmen Sie deshalb sofort Kontakt mit uns auf und wir besprechen Ihre rechtlichen Optionen.
Welche Reaktionsmöglichkeiten hat der Antragsgegner?
Auf eine einstweilige Verfügung kann auf unterschiedliche Weise reagiert werden. Welche Maßnahme sinnvoll ist, kann nicht generell beantwortet werden. Die „richtige“ Reaktion auf eine einstweilige Verfügung ist immer vor dem Hintergrund des Ziels, das erreicht werden soll, zu bestimmen.
Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung
Der Antragsgegner kann gegen die einstweilige Verfügung vorgehen, indem er Widerspruch erhebt und darlegt, warum sie aufzuheben ist. In der Folge findet eine mündliche Verhandlung statt.
Bis das Gericht die einstweilige Verfügung aufhebt, bleibt sie wirksam. Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner muss sich an die einstweilige Verfügung halten, andernfalls riskiert er, dass das Gericht ein Ordnungsmittel verhängt. Er kann aber beantragen, dass die einstweilige Verfügung vorerst nicht vollzogen werden kann.
Der Widerspruch ist das Mittel der Wahl, wenn sich der Antragsgegner gegen die einstweilige Verfügung insgesamt wehren will. Er ist nicht an eine Frist gebunden, wartet der Antragsgegner allerdings zu lange, kann er wegen Verwirkung zurückgewiesen werden.
Kostenwiderspruch gegen die einstweilige Verfügung
Will der Antragsgegner sich nur gegen die Kostenentscheidung wehren, nicht aber gegen die Entscheidung in der Sache, kann er den Widerspruch beschränken.
Ein solcher Kostenwiderspruch ist dann sinnvoll, wenn eine außergerichtliche Abmahnung unterblieben ist oder eine Abmahnung zwar ausgesprochen wurde, die aber nicht deckungsgleich zum Verfügungsantrag ist. In diesen Fällen hätte der Antragsteller die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens durch eine ordnungsgemäße Abmahnung vermeiden können. In der Folge sind ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Antrag auf Anordnung der Klageerhebung
Will der Antragsgegner eine endgültige Regelung erzwingen, kann er beantragen, dass das Gericht dem Antragsteller eine Frist zur Erhebung der Klage in der Hauptsache setzt. Kommt der Antragsteller der Anordnung nicht nach, ist die einstweilige Verfügung aufzuheben.
Aufhebung wegen veränderter Umstände
Da eine einstweilige Verfügung nur eine vorläufige Regelung darstellt, kann sie aufzuheben sein, wenn sich die Umstände für ihren Erlass geändert haben. Eine Aufhebung begründen können unter anderem Änderungen der Rechtslage oder neue höchstrichterliche Rechtsprechung. Auch wenn der Anordnungsanspruch oder Anordnungsgrund weggefallen sind, kann die einstweilige Verfügung aufgehoben werden.
Abschlusserklärung
Ist der Antragsteller im Recht, kann Antragsgegner die einstweilige Verfügung auch als endgültige Regelung akzeptieren, indem er eine Abschlusserklärung abgibt. Mit ihr verzichtet der Antragsgegner unwiderruflich darauf, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen.
Abschlussschreiben & Abschlusserklärung
Der Antragsteller kann den Antragsgegner dazu auffordern, darauf zu verzichten, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen. Er muss dies sogar tun, weil er andernfalls das Kostenrisiko einer Klage trägt. Denn erkennt die Gegenseite den Anspruch an, hat sie ohne ein Abschlussschreiben keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben. Nach § 93 ZPO trägt in diesem Fall der Kläger die Kosten.
Will der Antragsteller dies verhindern, muss er den Antragsteller den Antragsgegner auffordern, die einstweilige Verfügung als endgültig anzuerkennen. Dies geschieht in der Praxis durch das Abschlussschreiben.
Was steht in einem Abschlussschreiben?
Eine bestimmte Form ist für das Abschlussschreiben nicht vorgesehen. Der Antragsteller muss den Antragsgegner dazu auffordern, auf seine Rechte aus § 924 ZPO (Widerspruch), § 926 ZPO (Anordnung der Klageerhebung) und § 927 ZPO (Aufhebung wegen veränderter Umstände) sowie die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Darüber hinaus muss der Antragsteller dem Antragsgegner in der Regel eine Frist von mindestens zwei Wochen setzen, die geforderte Abschlusserklärung abzugeben (BGH, Urteil vom 22.01.2015 – I ZR 59/14). Eine zu kurze Frist führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Abschlussschreibens, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang.
Hat der Antragsgegner bereits zu erkennen gegeben, dass er die einstweilige Verfügung nicht akzeptieren will, ist ein Abschlussschreiben nicht erforderlich. Der Antragsteller kann unmittelbar Klage erheben und muss nicht abwarten, ob der Antragsgegner freiwillig eine Abschlusserklärung abgibt. Umgekehrt kann ein Abschlussschreiben auch dann erforderlich sein, wenn der Antragsgegner gegen die einstweilige Verfügung im Wege eines Widerspruchs vorgeht, der Antragsteller hiervon aber nichts weiß.
Widerspruch der Gegenseite mitteilen
Um zu verhindern, dass der Antragsteller ein (kostenpflichtiges) Abschlussschreiben versendet, sollte der Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung nicht nur dem Gericht übermittelt werden, sondern zeitgleich auch dem Antragsteller.
Welche Kosten fallen an?
Das Abschlussschreiben ist Teil des Hauptsacheverfahrens und kann nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zusätzliche Anwaltskosten auslösen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller dem Antragsgegner ausreichend Zeit gelassen hat, um freiwillig eine Abschlusserklärung abzugeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beträgt die Wartefrist mindestens zwei Wochen, sie kann im Einzelfall aber auch länger sein.
Der Antragsgegner sollte nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung daher zügig entscheiden, ob er eine Abschlusserklärung freiwillig abgeben oder seine Rechte ausüben will. Nur so kann er verhindern, dass Kosten für das Abschlussschreiben anfallen.
Was ist eine Abschlusserklärung?
Mit der Abschlusserklärung verzichtet der Antragsgegner auf seine Rechte, mit denen er gegen die einstweilige Verfügung vorgehen kann. Die zunächst vorläufige Regelung wird damit einem rechtskräftigen Urteil in der Hauptsache gleichgestellt.
Damit die Abschlusserklärung ihren Zweck erfüllt, darf sie grundsätzlich nicht an Bedingungen geknüpft werden. Zulässig ist es allenfalls, sie unter der auflösenden Bedingung abzugeben, dass das zu unterlassende Verhalten durch eine Gesetzesänderung oder neue höchstrichterliche Rechtsprechung zulässig wird.
Abschlusserklärung: Wie kann ein Anwalt helfen?
Eine Abschlusserklärung sollte erst nach einer Prüfung der Sach- und Rechtslage durch einen Rechtsanwalt abgegeben werden. Zudem muss die Formulierung korrekt sein, da andernfalls die Gefahr einer Klage nicht ausgeräumt wird. Da ein Abschlussschreiben weitere Kosten auslösen kann, sollte zeitnah ein Anwalt mit Erfahrung in einstweiligen Verfügungsverfahren kontaktiert werden.
Vor der Einleitung eines Verfahrens in der Hauptsache muss der Antragsteller den Antragsgegner zur Abgabe einer solchen Abschlusserklärung auffordern. Andernfalls riskiert er, dass ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wenn der Antragsgegner die geltend gemachten Ansprüche sofort anerkennt. Das Abschlussschreiben gehört bereits zum Hauptsacheverfahren, sodass es weitere Anwaltskosten auslöst, zu deren Erstattung der Antragsgegner verpflichtet sein kann. Daher sollte innerhalb von zwei Wochen entschieden werden, ob eine Abschlusserklärung abgegeben werden soll oder nicht.
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