- 1. Verfassungsrechtliche Stellung der Presse
- 2. Gleichbehandlung der Presseorgane
- 3. Wer zählt zur Presse?
- 4. Welche Veröffentlichungen sind geschützt?
- 5. Geschützte Tätigkeiten: Von Informationsbeschaffung bis Verbreitung
- 6. Nur innerhalb der geltenden Gesetze
- 7. Rechtlicher Rahmen journalistischer Tätigkeit
- 8. Bundeseinheitlicher Presseausweis
Verfassungsrechtliche Stellung der Presse
Die Presse hat als „vierte Gewalt“ in mehrfacher Hinsicht eine besondere Stellung. Rechtlich kommt dies vor allem durch die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit zum Ausdruck:
Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Art. 5 Abs. 1 GG
Die Presse ist unabhängig von staatlicher Kontrolle, sie soll kritisch über Vorgänge berichten können, auch wenn politische oder wirtschaftliche Interessen durch die Berichterstattung beeinträchtigt werden.
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Weltweit sind kritische und investigative Journalist/-innen in der Gefahr, dass insbesondere staatliche Stellen ihre Tätigkeit behindern oder sogar Leib, Leben und Freiheit gefährden
Auch in Deutschland muss die Pressefreiheit immer wieder vor dem Zugriff des Staates bewahrt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat Freiheit und Grenzen der Berichterstattung in zahlreichen Entscheidungen thematisiert. In seinem SPIEGEL-Urteil von 1966 haben die Verfassungsrichter herausgestellt, dass die Presse eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt.
Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates.
BVerfGE 20, 162
Mit der Freiheit der Presse unvereinbar ist nicht nur eine direkte Behinderung ihrer Tätigkeit, sondern auch eine Verzerrung des Wettbewerbs der Presseunternehmen durch den Staat. Er darf daher nicht einen eigenen Staatssender aufbauen, in dem die Freiheit der Redaktionen nicht gewährleistet ist. Aus diesem Grunde ist auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk staatsfern zu organisieren.
ARD, ZDF und Co. können sich auf die Rundfunkfreiheit berufen, sie können sich gegen einen Einfluss des Staates auf ihr Programm gegebenenfalls gerichtlich zur Wehr setzen.
Gleichbehandlung der Presseorgane
Die Pressefreiheit folgt ferner, dass staatliche Stellen zur Neutralität verpflichtet sind. Sie dürfen nicht einzelne Medien willkürlich von einer Berichterstattung ausschließen oder umgekehrt einzelne bevorzugen. Das „Recht auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb“ (BVerfGE 80, 124) garantiert eine gleichberechtigte Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten.
Eine Differenzierung zwischen einzelnen Medien kann allerdings erforderlich sein, z.B. wenn die Kapazitäten eine Zulassung aller Journalist/-innen, die berichten wollen, nicht zulassen. Grundsätzlich ist es in diesen Fällen möglich, dass die Behörde nach dem Prioritätsprinzip verfährt, also die zur Verfügung stehenden Plätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Akkreditierungen verteilt.
Allerdings bedarf auch dieses Prinzip einer Ausgestaltung, die die Chancengleichheit realitätsnah gewährleistet. Die tatsächliche Situation der vorhersehbar Interessierten ist hinreichend zu berücksichtigen.
So hat das Bundesverfassungsgericht im Vorfeld des NSU-Prozesses zugunsten einer türkischen Zeitung entschieden, dass der Vorsitzende des Oberlandesgerichts München ausländische Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten angemessen berücksichtigen muss. Eine Differenzierung von Medien bei der Platzvergabe wirft, mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts, „schwierige Rechtsfragen“ auf. In jedem Falle ist die Chancengleichheit der Berichterstattung durch ein transparentes Verfahren regeln.
In der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist, unter welchen Voraussetzungen einzelne Journalist/-innen auf der Grundlage einer „Gefahrenprognose“ ausgeschlossen werden können. Anlässlich des Entzugs von Akkreditierungen beim G20-Gipfel in Hamburg, der zum Teil auf der Grundlage veralteter Einträge in Polizeidatenbanken erfolgte, werden die Verwaltungsgerichte zu dieser Frage voraussichtlich Stellung nehmen müssen.
Wer zählt zur Presse?
Der Begriff der Presse umfasst traditionell alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Zeitschriften oder Bücher. Der in den Pressegesetzen der Länder geregelte Pressebegriff ist für die verfassungsrechtliche Auslegung des Merkmals Presse nicht verbindlich.
Auch digitale Angebote wie Blogs sind verfassungsrechtlich geschützt, wenn sie in vergleichbarer Weise am Kommunikationsprozess teilnehmen.
Wer „Journalist/-in“ ist, definiert das Grundgesetz nicht. Auch die Pressegesetze der Länder treffen hierzu keine Aussage.
Die Berufsverbände haben für sich abgesteckt, wen sie als „Profis“ ansehen. Hiernach bedarf es einer hauptberuflichen Tätigkeit, ehrenamtlicher Journalismus reicht nicht aus. Diese Bestimmungen vermögen die Pressefreiheit allerdings nicht einzuschränken, für die Betätigung als Journalist/-in ist nicht auf die Regelung von Verbänden abzustellen.
Welche Veröffentlichungen sind geschützt?
Die Pressefreiheit wird weit verstanden, sie besteht unabhängig vom Inhalt einer Publikation. Auch Boulevardmedien, Anzeigenblätter oder eine Schülerzeitung sind umfasst. Das Niveau ist kein Kriterium, auch unterhaltende Artikel sind geschützt.
Die Pressefreiheit erfasst den gesamten Inhalt eines Presseorgans. Nicht nur die Bestimmung des Inhalts einer einzelnen Ausgabe oder des Themas eines einzelnen Artikels, sondern erst recht die Grundentscheidung über Ausrichtung und Gestaltung insgesamt ist geschützt.
Darin ist auch die Entscheidung eingeschlossen, ob Zuschriften von Dritten in die Publikation aufgenommen werden. Geschützt sind daher nicht nur eigene Beiträge der Herausgeber oder redaktionellen Mitarbeiter. Der Schutz der Pressefreiheit umfasst auch die Wiedergabe von Beiträgen Außenstehender, die sich nicht beruflich im Pressewesen betätigen.
BVerfGE 95, 28
Geschützte Tätigkeiten: Von Informationsbeschaffung bis Verbreitung
Geschützt sind alle mit der Pressearbeit zusammenhängenden Tätigkeiten, von der Beschaffung einer Information bis zu ihrer Verbreitung.
Die rechtswidrige Informationsbeschaffung ist von der Pressefreiheit nicht umfasst. Auch ein kritischer Bericht über Massentierhaltung rechtfertigt nicht, ohne Einwilligung des Berechtigten in einen Stall einzudringen. Wer diese Grenze überschreitet, macht sich ggf. wegen Hausfriedensbruchs strafbar
Demgegenüber kann die Veröffentlichung rechtswidrig gewonnener Informationen durchaus zulässig sein. Andernfalls könnte die Presse ihrer Funktion, Missstände aufzudecken, nur noch eingeschränkt nachkommen. Übermittelt ein Informant einer Redaktion rechtswidrig erlangte Unterlagen, dürfen diese Informationen – unter Beachtung der journalistischen Sorgfalt – zur Berichterstattung genutzt werden
Die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit gehört zu den Bedingungen einer freien Presse. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses und journalistischer Quellen ist durch ein Zeugnisverweigerungsrecht von Pressevertretern einschließlich ihrer Hilfspersonen gegenüber Behörden abgesichert
Nur innerhalb der geltenden Gesetze
Journalist/-innen haben die geltenden Gesetze zu beachten. Denn die Pressefreiheit findet nach Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes ihre Schranken „in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“.
Die Gesetze markieren damit die Grenze, bis zu der die Pressefreiheit reicht, sind aber immer im Lichte der Pressefreiheit auszulegen
Praktisch erfordert jede Entscheidung über die Grenzen der Pressefreiheit im Einzelfall eine Abwägung der berührten Interessen, wobei die Verhältnismäßigkeit von besonderer Bedeutung ist
Um dieses Prinzip der Abwägung zu verdeutlichen: Soll über den Verdacht einer Straftat gegenüber einem Mitarbeiter des Bürgermeisters berichtet werden, sind verschiedene Gesichtspunkte von Bedeutung, unter anderem die Art des Vorwurfs, der Grad des Verdachts, welche Anhaltspunkte diesem zugrunde liegen, etc. Einerseits gebieten die Unschuldsvermutung und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, eine besondere Zurückhaltung an den Tag zu legen. Andererseits ist seine herausgehobene Stellung von besonderem Interesse für die Berichterstattung.
Die Redaktion wird im obigen Beispiel sehr genau überlegen müssen, ob sie namentlich über den Betroffenen berichtet. Zusätzlich hat sie die Rechte des Betroffenen dadurch zu wahren, dass sie die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung (siehe Teil 2 der Artikelserie) berücksichtigt.
Rechtlicher Rahmen journalistischer Tätigkeit
Die journalistische Tätigkeit wird durch das Grundgesetz geprägt. Aber es gibt eine Vielzahl weiterer Gesetze, die den rechtlichen Rahmen bilden
Die Pressegesetze der Länder vermitteln Journalist/-innen unter anderem ein Informationsrecht gegenüber Behörden. So heißt es beispielsweise in § 4 Absatz 1 Landespressegesetz NRW:
Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
§ 4 Abs. 1 LPresseG NRW
Der Bund hat kein Pressegesetz erlassen, dennoch haben Journalist/-innen auch gegenüber Bundesbehörden einen Auskunftsanspruch, der unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleitet wird.
Darüber hinaus beinhalten die Pressegesetze auch Pflichten wie die Impressumspflicht. Für Onlinemedien gelten die Bestimmungen des sechsten Abschnitts des Rundfunkstaatsvertrags und des Telemediengesetzes.
Die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern geben Journalist/-innen ein zusätzliches Recherchewerkzeug an die Hand.
Der Pressekodex ist keine gesetzliche Regelung, sondern eine durch den Deutschen Presserat herausgegebene Sammlung journalistisch-ethischer Grundregeln. Er enthält Regelungen zu der Frage, was von einer sorgfältig arbeitenden Presse erwartet werden muss. Der Pressekodex ist rechtlich nicht verbindlich, er dient allerdings auch den Gerichten als Auslegungs- oder Orientierungshilfe im Rahmen von Abwägungsentscheidungen.
Bundeseinheitlicher Presseausweis
Für die Praxis von hoher Bedeutung ist der Presseausweis. Behörden müssen – zum Teil in äußerst kurzer Zeit – abschätzen, ob eine Person als Journalist/-in tätig ist. Ein Dokument wie der Presseausweis erleichtert dies erheblich.
Eine gesetzliche Regelung des Presseausweises gibt es nicht. Eine solche wäre mit der Staatsferne der Presse nicht vereinbar. An sich kann also jeder Presseausweise ausstellen. Damit legitimiert ein x-beliebiger Presseausweis den Inhaber nicht per se als „professionellen“ Journalisten
Eine Aussagekraft kommt daher vorrangig dem bundeseinheitlichen Presseausweis zu. Er ist ein vereinfachter Nachweis gegenüber Behörden, dass sein Inhaber hauptberuflicher Journalist ist. Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen der Innenministerkonferenz und dem Deutschen Presserat. Nur bestimmte Verbände sind zur Ausgabe berechtigt. Wer ihn erhalten will, muss seine berufliche Tätigkeit als Journalist/-in nachweisen. Dadurch soll der Ausweis eine größere Akzeptanz erfahren. Das Verwaltungsgericht München hat dies in einer Entscheidung bestätigt und dem bundeseinheitlichen Presseausweis attestiert, „allgemein anerkannt“ zu sein (vgl. VG München, Urteil vom 03.07.2014 – M 10 K 13.2584).
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