LG Köln: Dringlichkeit trotz Löschung eines rechtsverletzenden Fotos bei Facebook

Reicht es aus, ein Foto zu löschen, um eine einstweilige Verfügung zu verhindern? Nein, sagt das Landgericht Köln. Im Äußerungsrecht muss es der Antragsteller das Risiko einer erneuten Rechtsverletzung nicht hinnehmen. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass eine Dringlichkeit in der Regel besteht, wenn er das Verfahren zügig betreibt und die Gegenseite keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Bilder bei Facebook ohne Einwilligung verbreitet

Die Antragsgegnerin hatte ein Foto des von uns vertretenen Antragstellers ohne dessen Einwilligung bei Facebook mit einem Kommentar gepostet. Trotz Abmahnung gab sie keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Erst nachdem wir einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Amtsgericht Köln gestellt hatten, löschte sie das Bild.

Das Amtsgericht Köln war nun der Meinung, dass die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit entfallen sei. Anders als im Wettbewerbsrecht gebe es bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine gesetzliche Vermutung, dass die Sache dringlich ist. Daher müsse der Antragsteller konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende (erneute) Zuwiderhandlung vortragen.

Wir hielten diese Entscheidung für falsch, denn die Antragsgegnerin hatte bereits einmal das Persönlichkeitsrecht unseres Mandanten verletzt. Ohne eine einstweilige Verfügung hätte unser Mandant kein Mittel in der Hand, um eine erneute Veröffentlichung zeitnah zu sanktionieren. Es ist zudem die Entscheidung der Antragsgegnerin, wenn sie die Unterlassung nicht durch eine Vertragsstrafe absichern will.

Mitunter vertreten Gerichte die Auffassung, dass die für eine Eilentscheidung erforderliche Dringlichkeit entfällt, wenn die Verletzungshandlung eingestellt wird. Zuletzt hat das Oberlandesgericht Köln in einem urheberrechtlichen Fall entschieden, dass einer einstweilige Verfügung entgegensteht, wenn die Rechtsverletzung eingestellt wird. Konkret ging es um einen (zunächst) fehlenden Urhebervermerk an einem Foto im Internet (OLG Köln, Beschluss vom 12.04.2021 – 6 W 98/20). Der Antragsgegner hatte diesen nachträglich ergänzt. Das Oberlandesgericht ging vor diesem Hintergrund davon aus, dass die bloße Wiederholungsgefahr nicht ausreiche und es Sache des Antragstellers sei, näher vorzutragen, weshalb die Sache für ihn noch dringlich ist.

Dringlichkeit vs. Wiederholungsgefahr

Die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung und die Wiederholungsgefahr sind nicht gleichzusetzen. Die Dringlichkeit ist für die Frage relevant, ob eine vorläufige Regelung geboten ist, um Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Demgegenüber betrifft die Wiederholungsgefahr die Frage, ob überhaupt einen Anspruch auf Unterlassung besteht.

LG Köln: Dringlichkeit ist im Äußerungsrecht die Regel

Die Pressekammer des Landgerichts Köln hat nun (richtigerweise) für das Äußerungsrecht die Gegenposition eingenommen (LG Köln, Beschluss vom 17.08.2021 – 28 T 13/21). Es hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

Das Landgericht geht davon aus, dass in der äußerungsrechtlichen Praxis die Dringlichkeit regelmäßig zu bejahen ist, wenn der Antragsteller die Rechtsverfolgung zeitnah betreibt:

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts fehlt es nicht an einem Verfügungsgrund. Die für den Verfügungsgrund erforderliche Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerung bzw. des beanstandeten Verhaltens zu rechnen ist (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl., Kap. 12 Rn. 144 f.). In der Praxis des Presse- und Äußerungsrechts wird ein Verfügungsgrund, wenn keine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, insbesonderedurch Zuwarten gegeben ist, regelmäßig ohne Weiteres bejaht (vgl. Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 325; Korte, Praxis des PresseR, § 5 Rn. 108 mwN; OLG Hamburg, NJW-RR 2008, 1435).

LG Köln, Beschluss vom 17.08.2021 – 28 T 13/21

Das Landgericht verweist darauf, dass eine solche Selbstwiderlegung erst dann vorliegt, wenn der Antragsteller in Kenntnis der maßgeblichen Umstände untätig bleibt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst nach längerer Zeit stellt.

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In der Regel nicht länger als einen Monat warten

Die Gerichte sind sich uneins, wie viel Zeit sich ein Antragsteller für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Regel lassen darf, damit die Sache noch dringlich ist. Manche gehen von fünf Wochen aus (z.B. LG Hamburg), andere wie das LG Köln von einem Monat:

Auch wenn in diesem Bereich bestimmte Fristen nur als Anhaltspunkt dienen können, ist in der Regel von fehlender Dringlichkeit auszugehen, wenn der Antragsteller nach Kenntnisnahme der Rechtsverletzung ohne zwingende Gründe einen Zeitraum von mehr als einem Monat bis zur Antragstellung verstreichen lässt (OLG Köln, GRUR-RR 2010, 493 – Ausgelagerte Rechtsabteilung; OLG Köln, Beschl. v. 18.08.2015 – 6 W 64/15; ständige Rechtsprechung der schwerpunktmäßig mit Presse- und Äußerungsrecht befassten Kammer). Ein derartiges Zuwarten des Antragstellers liegt hier nicht vor.

LG Köln, Beschluss vom 17.08.2021 – 28 T 13/21

Das Landgericht erteilt der Auffassung des Amtsgerichts eine klare Absage:

Soweit das Amtsgericht argumentiert, dass es an einem Verfügungsgrund fehle, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine bevorstehende Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot bestehen würden, folgt die Kammer dem nicht. Auch wenn die Antragsgegnerin das Foto aus dem vom Antragsteller insbesondere beanstandeten Beitrag im sozialen Netzwerk ‚Facebook‘ mittlerweile entfernt hat, hat sie gerade keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Es besteht daher jederzeit die Möglichkeit, dass sie das streitgegenständliche Bildnis wieder veröffentlicht, ohne dass der Antragsteller dagegen einschreiten könnte. Der Antragsteller verweist zutreffend darauf, dass dies von ihm nicht hinzunehmen ist. Der weiteren Darlegung einer Eilbedürftigkeit bedarf es nicht.

LG Köln, Beschluss vom 17.08.2021 – 28 T 13/21

Es bleibt damit dabei, dass der Schutz von Persönlichkeitsrechten auch ohne besondere Darlegungen zur Dringlichkeit im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann – und zwar auch dann, wenn die Rechtsverletzung eingestellt wird. Das bedeutet, dass in der Regel nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ein einstweiliges Verfügungsverfahren vermeidet.

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