Wer steckt hinter GROWTH MARKETER?
Growth Marketer, betrieben von der CE Digital GmbH aus Köln, positioniert sich als strategischer Marketing-Partner für Personenmarken wie Coaches, Trainer und Berater im deutschsprachigen Raum.
Auf der Webseite wirbt das Unternehmen mit beeindruckenden Zahlen: Über 500 Kunden hätten durch das „ganzheitliche Marketing-System“ zuverlässig mehr als 100.000 Euro Monatsumsatz erzielt.
In der Praxis sehen wir die andere Seite: Vertriebsmitarbeiter verkaufen den „Growth-Marketer-Vertrag“ sowie weitere Verträge mit Partnerfirmen, wie der automadeit GmbH oder der Funnelspot GmbH, gegenüber potenziellen Kund:innen.
Dieser Vertrag schreibt eine erhebliche Vergütung von 36.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer für einen Zeitraum von 12 Monaten fest. Eine stolze Summe, die man erst einmal erwirtschaften muss. Bei einem Umsatz von 100.000 € bedeutet das eine Umsatzrendite von mehr als 35 %. Zum Vergleich: Allgemein liegt die durchschnittliche Umsatzrendite im E-Commerce zwischen 3 % und 5 %.
Die Leistungen müssen also herausragend sein, wenn sich die Investition mittelfristig rechnen soll. Welche Leistungen man für den zu zahlenden Betrag erhält, bleibt auch nach intensiver Lektüre des uns vorliegenden Vertrags eher unklar.
„Wenn Sie einen Growth-Marketer-Vertrag abgeschlossen haben, prüfen wir Ihre rechtlichen Möglichkeiten.“
Welche Leistungen beinhaltet der Vertrag?
Wie der Name „GROWTH MARKETER“ bereits erahnen lässt, geht es um Generierung von Wachstum für das Unternehmen der Kund:innen. Der Aufwand der Agentur hält sich aber eher in Grenzen. Neben ein paar Events und Videocalls bekommen Kund:innen im Wesentlichen den Zugang zu einem Videokurs.
Viele Coaches machen ihren Umsatz mit Videokursen, mit denen die Kund:innen lernen können sollen, was sie tun müssen, um ihr Business zum Erfolg zu führen. Ob die Inhalte das Geld wirklich wert sind, können und wollen wir nicht bewerten.
Allerdings ist der Preis schon sehr hoch dafür, dass die Auftragsbestätigung die individuellen Leistungen nur sehr unklar regelt. Was Kund:innen bei einer „ganzheitlichen Marketingberatung“ oder der „Beratung und Optimierung des Verkaufsprozesses“ konkret erwarten und fordern können, bleibt offen.
Werden verschiedene Verträge für teils gleiche Leistungen verkauft?
Der Growth-Marketer-Vertrag wird von den Vertriebsmitarbeitern in demselben Verkaufsgespräch zum Teil in Kombination mit einem Vertrag mit der automadeit GmbH über „Ads-Betreuung“ angeboten. Dieses Unternehmen scheint ein Partnerunternehmen der C&E Digital GmbH zu sein und wird auch auf deren Website genannt.
Ein Blick ins Handelsregister bestätigt: Der Geschäftsführer der C&E Digital GmbH, Erkan Eyidogan, ist über ein weiteres Unternehmen, die Eyidogan Venture GmbH, zu 33 % an der automadeit GmbH beteiligt.
Das Volumen des Vertrags mit der automadeit GmbH liegt laut den uns vorliegenden Unterlagen bei 42.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer für 12 Monate sowie einer sog. Set-Up-Gebühr in Höhe von 2.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer. Werbebudgets, etwa für Google-Ads, sind hier nicht inkludiert.
Aufschlussreich ist, wenn man die verkauften Verträge einmal nebeneinander legt und den Leistungsumfang vergleicht. Es zeigt sich, dass diese große Überschneidungen aufweisen. Beider Verträge nennen folgende Leistungen:
Vertrag C&E Digital GmbH | Vertrag automadeit GmbH |
Social-Media-Marketing | Planung und Durchführung von Meta (Facebook und Instagram Ads) und Google (Youtube Ads) Werbeanzeigen |
Strategische Beratung hinsichtlich der Gestaltung und Positionierung der Produkte des Kunden | Zielgruppenausrichtung und -segmentierung |
Entwicklung, Durchführung, Kontrolle und Optimierung von Werbestrategien und -maßnahmen | Monitoring und Optimierung; Berichterstattung und Analyse (Tag-genaue Tracking-Tabellen, Wochenbericht) |
Man kann sich somit des Gedankens nicht erwehren, dass hier gleiche oder zumindest sehr ähnliche Leistungen doppelt bezahlt werden sollen.
Rechtliche Ansatzpunkte zur Beendigung des Vertrags
Es gibt verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um sich von einem Vertrag zu lösen. Dazu zählen insbesondere eine wirksame Anfechtung, beispielsweise wegen arglistiger Täuschung, eine außerordentliche Kündigung oder die Nichtigkeit des Vertrags aufgrund von Sittenwidrigkeit, wie etwa bei Wucher.
Im Folgenden erläutern wir Ihnen diese Optionen, ihre rechtlichen Voraussetzungen und die daraus resultierenden Folgen.
Anfechtung wegen Täuschung
Für eine erfolgreiche Anfechtung des Vertrags ist zunächst ein Anfechtungsgrund erforderlich. Dies kann eine Täuschung des Vertriebsmitarbeiters über den Inhalt des Vertrags sein, wenn diese zumindest auch der Grund war, warum der Vertrag letztlich geschlossen wurde. Eine Anfechtung wegen Täuschung muss innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von der Täuschung ausgesprochen werden.
Darüber hinaus kann auch ein Anfechtungsgrund vorliegen, wenn man sich über den Inhalt des Vertrags geirrt hat. In diesem Fall gibt es keine Frist, die für die Abgabe der Anfechtungserklärung abzugeben wäre.
Für jede Art der Anfechtung trägt die oder der Anfechtende die sog. Darlegungs- und Beweislast. Sie müssen also Zweifel beweisen können, dass Sie getäuscht wurden. Deshalb raten wir grundsätzlich dazu, eine Zeugin oder einen Zeugen zu Vertragsgesprächen hinzuzuziehen.
Aber auch wenn kein Zeuge zur Verfügung steht, ist man nicht unbedingt chancenlos. Denn auch die eigene Aussage kann vor einem Gericht genügen, um dieses von einer Täuschung zu überzeugen.
Eine erfolgreiche Anfechtung des Vertrags führt dazu, dass der Vertrag so zu behandeln ist, als ob er nie geschlossen worden wäre. Bereits gezahlte Vergütungen sind zurückzuzahlen. Vergütungsansprüche für die Zukunft bestehen nicht mehr.
Außerordentliche Kündigung
Die außerordentliche Kündigung führt dazu, dass der Vertrag ab Ausspruch der Kündigung beendet wird. Bereits geleistete Zahlungen können grundsätzlich nicht zurückgefordert werden, jedoch entfällt eine Vergütungspflicht für die Zukunft.
Voraussetzung für eine erfolgreiche außerordentliche Kündigung sind zwei Dinge:
- Erstens braucht es einen Kündigungsgrund. Dies kann häufig eine Nichterbringung oder Schlechterbringung vertraglich versprochener Leistungen sein.
- Zweitens muss man der C&E Digital GmbH eine Frist setzen, innerhalb derer sie die nicht oder schlecht erbrachte Leistung ordnungsgemäß erbringen soll.
Läuft die gesetzte Frist ab, ohne dass die Leistungen nachgeholt wurden, kann die Kündigung mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden.
Wie bereits bei der Anfechtung sind Sie als Vertragspartner:in auch hier in der Beweispflicht. Deshalb sollte eine außerordentliche Kündigung gut vorbereitet sein.
Wucher
Ein Vertrag kann wegen Wuchers nichtig sein. Das Gesetz verlangt hierfür nach § 138 Abs. 2 BGB ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
Ein solches auffälliges Missverhältnis ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Wert der vereinbarten Gegenleistung knapp 100 % über der marktüblichen Vergütung liegt. Dies ist allerdings nur ein Indikator und keine starre Grenze.
Neben dem auffälligen Missverhältnis muss der Vertriebsmitarbeiter unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen gehandelt haben.
Beide Voraussetzungen müssen im Zweifel nachgewiesen werden können.
Wie kann ein Anwalt helfen?
Gerade die Entscheidung, ob eine Anfechtung oder eine außerordentliche Kündigung des Vertrags ausgesprochen werden soll, erfordert eine genaue Analyse der Anfechtungs- bzw. Kündigungsgründe sowie der Beweislage. Wir als erfahrene Anwaltskanzlei begleiten Sie gerne auf Ihrem Weg aus dem Vertrag heraus.
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