Sie sollten aber nicht einfach eine Kündigung aussprechen, denn damit sparen Sie möglicherweise nichts. Wir geben einen Überblick, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie haben, sich günstig vom Vertrag zu lösen.
Wer ist die Stuttgarter Zeitung Online-Service GmbH?
Die Stuttgarter Zeitung, eine seriöse Regionalzeitung mit einer langen Geschichte und einem Einzugsgebiet von 2,8 Millionen Einwohnern. Hinter dem Unternehmen, das unter dem Label der Stuttgarter Zeitung sog. Internet-System-Verträge verkauft, steckt allerdings nicht der Verlag (Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft mbH), sondern die Stuttgarter Zeitung Online-Service GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Daniel Fratzscher.
Herr Fratzscher ist durch Unternehmen wie etwa der Euroweb Internet GmbH bekannt geworden. Die Masche: Unternehmen verkaufen mittels eines professionell geschulten Vertriebs teure Internet-System-Verträge an kleine und mittelständische Unternehmen. Diese Verträge sind langfristig angelegt, während die Leistungen eher übersichtlich sind. Mit Sicherheit ein gutes Geschäft – für den Webseitenanbieter.
Seit längerer Zeit ist zu beobachten, dass Kooperationen mit seriösen Zeitungshäusern, wie etwa der Stuttgarter Zeitung oder den Westfälischen Nachrichten eingegangen werden. Damit soll der Vertrieb seriöser wirken. „Verbrannte“ Firmennamen wie Euroweb, web2walk o.ä. treten in den Hintergrund. Vermutlich ist das auch der Grund, warum mehrere Unternehmen, beispielsweise die Euroweb Deutschland GmbH, in der wwwe GmbH aufgingen.
Was ist eigentlich ein Internet-System-Vertrag?
Der Vertrag umfasst die Erstellung einer Unternehmenswebsite und im Nachgang hauptsächlich deren Hosting über die Vertragslaufzeit sowie weitere Zusatzleistungen, etwa einer Suchmaschinenoptimierung. Vor allem aber wird die Website nur „gemietet“. Alle Rechte an der Website verbleiben bei der Stuttgarter Zeitung Online-Service GmbH.
Die Laufzeit beträgt in der Regel 48 Monate, also nicht ein oder zwei, sondern ganze vier Jahre. Monatliche Beiträge in Höhe von mitunter 500,00 EUR sind im Voraus zu zahlen. Dies sind 24.000,00 €, gerechnet auf eine vierjährige Vertragslaufzeit.
Wenn Kund:innen mit der Leistung von Monatsbeiträgen in Verzug kommen, kann die Website bis zur vollständigen Zahlung offline gestellt werden. Ein starkes Druckmittel, wenn man bedenkt, dass viele Unternehmer von ihrer Website existenziell anhängig sind.
Kein Widerrufsrecht für Unternehmen
Nur Verbraucher:innen haben ein Widerrufsrecht bei Verträgen und auch dann nur in bestimmten Fällen, z.B. bei einem Fernabsatzvertrag. Unternehmer:innen können einen Vertrag grundsätzlich nicht widerrufen, sodass dieser mit der Unterzeichnung wirksam ist.
Wie kommt man aus dem Vertrag raus?
Es gibt prinzipiell verschiedene rechtliche Möglichkeiten, eine Vertragsbeziehung zu beenden. Welche in Ihrem Fall sinnvoll ist, sollten Sie durch einen erfahrenen Anwalt für IT-Recht prüfen lassen.
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB
Wenn der Vertreter Sie im Verkaufsgespräch über den Vertragsinhalt getäuscht hat, kommt eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn behauptet wird, Sie könnten den Vertrag jederzeit kostenlos verrufen, es bestehe kein Risiko oder Sie landen mit Ihrer Website in der Google-Suche weit vorne, obwohl dies technisch nicht garantiert werden kann. Im Idealfall haben Sie in dem Vertragsgespräch bereits einen Zeugen dabei. Denn den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung müssen Sie im Zweifel nachweisen. Aber auch, wenn Sie mit dem Vertreter beim Vertragsschluss alleine waren, sind Sie nicht chancenlos beim Nachweis der Täuschung.
Außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB
Wenn die Website nicht so erstellt wird, wie es mit dem Unternehmen vereinbart war, gibt es die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung. Damit eine solche wirksam ist, muss zuvor rechtswirksam eine Frist gesetzt werden, innerhalb der die Website dann vereinbarungsgemäß erstellt werden muss.
Schafft das Unternehmen dies nicht, kann der Vertrag gekündigt werden. Wichtig ist hier, dass genau festgehalten wird, wie die Website erstellt werden sollte. Sie sollten in jedem Fall bei der Vorbereitung der Webseitenerstellung auf eine detaillierte Dokumentation ihrer Wünsche drängen, die von ihnen und dem Vertriebler unterzeichnet wird. Unterzeichnen Sie die Dokumentation nicht, bevor Sie sie auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft haben.
Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB
Als Alternative zur außerordentlichen Kündigung kann die monatliche Zahlung so lange ausgesetzt werden, bis die Gegenseite ihren Leistungspflichten nachkommt. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die Kund:innen nach dem Vertrag grundsätzlich vorleistungspflichtig sind. Die Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts will also gut überlegt sein.
Nichtigkeit des Vertrags wegen Wuchers nach § 138 BGB
Des Weiteren kann der Vertrag wucherisch und damit nichtig sein. Dies ist einfach gesagt dann der Fall, wenn die Leistung das Geld im Ansatz nicht wert ist, wenn also vergleichbare Leistungen auf dem Markt um ein Vielfaches günstiger zu erhalten ist. Dies ist in Zeiten von Jimdo und Co. durchaus denkbar. Es bedarf einer genauen Analyse der Rechtsprechung und der Lage auf dem Markt für Webdesign, um die Frage des Wuchers zutreffend zu beantworten.
Freie Kündigung nach § 648 BGB
Schließlich ist der Vertrag jederzeit – auch ohne wichtigen Grund – nach § 648 BGB kündbar. Allerdings kann dies zur Folge haben, dass Sie einen Teil der Vergütung dennoch zahlen müssen. Deshalb sollte diese Kündigung nur nach Beratung durch eine spezialisierte Kanzlei erfolgen.
Sonderkonstellation: Vertragsverlängerung
Die Stuttgarter Zeitung Online-Service GmbH akzeptiert selten die ordentliche Kündigung ihrer Kund:innen zum Vertragsende. Sie bietet dann über einen Vertriebler teils Zusatzleistungen an. Dass es sich hierbei um nichts anderes als den Neuabschluss des bereits gekündigten Vertrags handelt, das übersehen manche Kunden.
Die oben benannten Verteidigungsmittel können auch gegen einen solchen Neuvertrag ins Feld geführt werden. Soweit der Vertreter in dem Gespräch aktiv verneint, dass es sich um einen Neuvertragsschluss handelt, ist insbesondere eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung möglich.
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