Versammlungen anmelden und leiten — Teil 2: Leitung

Wer eine Versammlung anmelden und/oder leiten will, sollte sich gut vorbereiten. Läuft nämlich etwas vor oder während der Versammlung einmal nicht ganz glatt hilft es zu wissen, was zu tun ist.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

AnmelderIn und LeiterIn sind AnsprechpartnerInnen für die Polizei und dürfen bzw. müssen gegebenenfalls Entscheidungen treffen, die für den Ablauf der Versammlung erhebliche Auswirkungen haben können. Große Sorgen sollte man sich aber nicht machen, denn mit ein wenig Wissen und Geschick, lassen sich auch schwierige Situationen gut meistern.

Dieser Beitrag soll ein kleiner Leitfaden für diejenigen sein, die eine Versammlung planen, anmelden oder leiten wollen. Von der Anmeldung und Durchführung bis zur Beendigung werden die rechtlichen Grundlagen sowie die Rechte und Pflichten von AnmelderInnen bzw. VersammlungsleiterInnen erläutert. Es soll also gerade nicht darum gehen, was Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer dürfen – auch wenn es für VersammlungsleiterInnen hilfreich sein kann, dies zu wissen –, sondern um die für eine Versammlung verantwortlichen Personen.

Hinweis: Der Leitfaden gilt nur für Versammlungen unter freiem Himmel, nicht aber in geschlossenen Räumen. Die Darstellung orientiert sich am Versammlungsgesetz des Bundes (nachfolgend: VersG), soweit ein Bundesland ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen hat, kann dieses hiervon abweichen.

Hier geht es zu Teil 1: Anmeldung

Was ist die Aufgabe von VersammlungsleiterInnen?

VersammlungsleiterInnen sind für die Durchführung einer Versammlung verantwortlich, sie haben nach § 19 Abs. 1 VersG für „den ordnungsmäßigen Ablauf zu sorgen“, sind AnsprechpartnerIn für die Polizei und – wie diese auch – zu einem kooperativen Verhalten verpflichtet. Dennoch sind sie in der Position, im Interesse der von ihnen geleiteten Versammlung mit der Polizei zu verhandeln.

Wer ist LeiterIn einer Versammlung?

Wird die Versammlung von einer natürlichen Person veranstaltet, ist diese gemäß der §§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 VersG automatisch auch LeiterIn der Versammlung, bei einer Vereinigung ist es ihre Vorsitzende bzw. ihr Vorsitzender. Die Veranstalterin bzw. der Veranstalter kann die Leitung aber einer anderen Person übertragen, § 7 Abs. 3 VersG.

Gegenüber der Polizei gilt für den Leiter nichts anderes, als für das Kooperationsgespräch. Selbstverständlich ist ein pünktliches Erscheinen am Versammlungsort. Der Umgang sollte freundlich und verbindlich, aber bestimmt sein. Der Versammlungsleiter sollte erkennen lassen, dass er seinen Handlungsspielraum kennt und nutzt. Die Unterstützung durch eine weitere Person, die dem Einsatzleiter zu Beginn vorgestellt werden sollte, kann hilfreich sein.

Welche Rechte haben VersammlungsleiterInnen?

Das Versammlungsgesetz stattet VersammlungsleiterInnen mit verschiedenen Rechten aus. Die Leiterin/der Leiter

  • bestimmt den Ablauf der Versammlung (§§ 8 S. 1, 18 Abs. 1 VersG);
  • kann OrdnerInnen einsetzen (§§ 9 Abs. 1, 18 Abs. 1 VersG), die Polizei muss dies aber wegen § 18 Abs. 2 VersG vorher genehmigen;
  • darf VersammlungsteilnehmerInnen Anweisungen erteilen, diese sind verpflichtet, sie zu befolgen (§§ 10, 18 Abs. 1 VersG);
  • kann die Versammlung beenden, unterbrechen und nach einer Unterbrechung fortsetzen (§§ 8 S. 3, 18 Abs. 1 VersG).

Die VersammlungsleiterIn darf VersammlungsteilnehmerInnen hingegen nicht von der Versammlung ausschließen. Dies darf nur die Polizei und gemäß § 18 Abs. 3 VersG auch nur dann, wenn diese die Versammlung „gröblich stören“. Das Versammlungsgesetz erlaubt also auch die kritische Teilnahme an einer Versammlung.

Die eingesetzten OrdnerInnen dürfen keine Waffen oder sonstigen waffenähnlichen Gegenstände mit sich führen. Sie müssen volljährig sein und ausschließlich durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung „Ordner“ tragen dürfen, kenntlich sein, § 9 Abs. 1 S. 2 VersG.

Wann die Versammlung beendet, unterbrochen oder fortgesetzt wird, entscheidet der Versammlungsleiter bzw. die Versammlungsleiterin.

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Welche Pflichten haben VersammlungsleiterInnen?

Neben diesen Rechten treffen VersammlungsleiterInnen zahlreiche Pflichten. Sie müssen

  • die Versammlung so durchführen, wie bei der Anmeldung angegeben und vollziehbare Auflagen befolgen, andernfalls können sie sich gemäß § 25 VersG strafbar machen;
  • für Ordnung zu sorgen (§§ 8 S. 2, 18 Abs. 1 VersG). VersammlungsleiterInnen und OrdnerInnen sollten sich aber nicht als „Sheriffs“ aufspielen und in vorauseilendem Gehorsam VersammlungsteilnehmerInnen zurechtweisen. Nur bei Verstößen gegen Versammlungsauflagen oder ähnlichem, sollte ein freundlicher Hinweis erteilt werden. Es reicht aus, wenn sich VersammlungsleiterInnen und OrdnerInnen um die Aufrechterhaltung der Ordnung bemühen, eine Handhabe gegenüber VersammlungsteilnehmerInnen haben sie ohnehin nicht. Zwangsmaßnahmen kann nur die Polizei durchsetzen.
  • der Polizei auf Nachfrage die Zahl der eingesetzten Ordner zu nennen, tun sie dies nicht oder geben eine unrichtige Zahl an, handeln sie gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 ordnungswidrig;
  • nur die Anzahl von Ordnern zu verwenden, die die Polizei zugelassen oder genehmigt hat, die Ordner müssen korrekt gekennzeichnet sein. Werden mehr Ordner eingesetzt oder sind Ordner nicht richtig gekennzeichnet, handelt der Leiter gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 7 VersG ordnungswidrig.
  • in die Versammlung entsandten Polizeibeamten die Anwesenheit zu gestatten und einen angemessenen Platz einzuräumen (§§ 12, 18 Abs. 1 VersG). Eine Verletzung dieser Pflicht stellt nach § 29 Abs. 1 Nr. 8 eine Ordnungswidrigkeit dar;
  • bei Aufzügen, also der „klassischen“ Demonstration, den Aufzug für beendet zu erklären, wenn sie sich gegenüber den anderen Versammlungsteilnehmern nicht durchsetzen können.

Ordnungswidrigkeiten nach § 29 Abs. 1 Nr. 6-8 VersG können für VersammlungsleiterInnen mit Bußgeldern bis zu 2.556,46 € geahndet werden.

Welche Pflichten hat die Polizei?

Die Polizei ist verpflichtet, versammlungsfreundlich zu verfahren. Sie hat die Pflicht, mit VersammlungsleiterInnen zu kooperieren. In Gesprächen mit dem Versammlungsleiter bzw. der Versammlungsleiterin darf sie also nicht ausschließlich versuchen, ihren Willen durchzusetzen, sondern muss für Vorschläge offen sein.

Zivil gekleidete PolizeibeamtInnen sind verpflichtet, sich unverzüglich dem Versammlungsleiter bzw. der Versammlungsleiterin, aber auch nur diesem, als solche zu erkennen zu geben (§§ 12, 18 Abs. 1 VersG). Dies gilt aber nur dann, wenn sie in die Versammlung entsandt wurden, also nicht bloß abseits stehen.

Zu Beginn der Versammlung möglicherweise anwesende ZivilbeamtInnen per Lautsprecher auffordern, sich vorzustellen.

Filmen darf die Polizei eine Versammlung nur dann, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass „erhebliche Gefahren“ von der Versammlung ausgehen. Ist eine Versammlung weitgehend friedlich, dürfen keine Aufnahmen gefertigt werden. Dies gilt auch für sogenannte Übersichtsaufnahmen, die lediglich von der Kamera auf einen Monitor in Echtzeit übertragen und nicht gespeichert werden, verbunden mit der Möglichkeit des Heranzoomens einzelner TeilnehmerInnen der Versammlung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.02.2015 – 7 A 10683/14.OVG). Kameras müssen erkennbar ausgeschaltet sein, für Kamerawagen bedeutet dies, dass der Mast eingefahren bzw. die Kamera nicht auf die Versammlung gerichtet sein darf (OVG Nordrhein-Westfalen, 23.11.2010 – 5 A 2288/09).

Während der Versammlung

Die Versammlung beginnt mit der Sammlung der VersammlungsteilnehmerInnen zum angemeldeten Zeitpunkt. Zuvor wird sich eine Beamtin oder ein Beamter der Polizei bei der Versammlungsleiterin bzw. dem Versammlungsleiter als AnsprechpartnerIn vorstellen. Zu Beginn der Versammlung sollten die VersammlungsteilnehmerInnen über Lautsprecher bzw. Megaphon über den Inhalt von Auflagen informiert werden.

Als LeiterIn gegen Maßnahmen der Polizei bei der/dem EinsatzleiterIn protestieren, dabei sachlich und ruhig bleiben. Eine zu starke Empörung wirkt schnell unprofessionell und hilft nicht weiter.

Aktuell ist die Polizei an verschiedenen Orten dabei, betont lässig formulierte Post oder Tweets in Sozialen Netzwerken zu verbreiten. Hierfür gibt es bislang keine Rechtsgrundlage, die Polizei muss gegenüber einer Versammlung sachlich bleiben und darf keine wertenden Kommentare abgeben. Sie darf aber beispielsweise Lautsprecheransagen wiederholen.

Am Ende der Versammlung

Eine Versammlung kann auf zweierlei Weisen beendet werden, nämlich entweder freiwillig durch den Versammlungsleiter oder zwangsweise durch die Polizei.

Versammlungsleiterinnen und Versammlungsleitern steht es frei, eine Versammlung zu beenden, den Zeitpunkt können sie selbst bestimmen. Nur wenn sie sich gegenüber den anderen Versammlungsteilnehmern nicht durchsetzen können, sind sie zur Beendigung verpflichtet. Ab dem Zeitpunkt der Beendigung tragen sie keine Verantwortung für die Versammlung und ihre TeilnehmerInnen mehr. Zudem verliert die Versammlung ihren versammlungsrechtlichen Schutz.

Die Polizei kann eine Versammlung auch ohne Mitwirkung der Versammlungsleiterin oder des Versammlungsleiters zwangsweise durch Auflösung beenden. Hierzu gibt sie die Auflösung den VersammlungsteilnehmerInnen über Lautsprecher bekannt. Grund für eine Auflösung können sein, dass die Voraussetzungen für ein Verbot der Versammlung vorliegen, weil unmittelbare Gefahren von ihr ausgehen, die eine Auflösung rechtfertigen.

Entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 VersG kann eine Versammlung nicht schon deshalb aufgelöst werden, weil sie von vornherein nicht angemeldet war, Auflagen zuwidergehandelt wird oder von den Angaben in der Anmeldung abgewichen wird. Eine solche Auslegung, die auf eine konkrete Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter verzichtet, ist verfassungswidrig (BVerfGE 69, 315 – Brokdorf).

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Verstöße gegen Auflagen oder das Abweichen von der Anmeldung sind allenfalls Indizien für eine unmittelbare Gefährdung. Gehen von einzelnen TeilnehmerInnen Straftaten aus, muss die Polizei Maßnahmen zunächst gegen diese richten. Die Auflösung der Versammlung kann nur das letzte Mittel sein.

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