Wettbewerbsrechtliche Abmahnung: Wann ist sie berechtigt?
Abmahnungen sind in Verruf geraten, das ist aber nicht wirklich berechtigt. Denn ohne die Abmahnung könnten Unternehmen sofort vor Gericht gehen, statt Streitigkeiten außergerichtlich zu klären. Das würde nicht nur die Gerichte überlasten, sondern auch hohe Kosten verursachen.
Es gibt aber auch missbräuchliche Abmahnungen, wobei ihre Zahl deutlich zurückgegangen ist, seit die Regeln im Wettbewerbsrecht deutlich verschärft wurden. Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, sollten Sie in keinem Fall die Hände in Schoß legen, sondern zeitnah reagieren (eine Checkliste finden Sie unten).
Mittlerweile gibt es gute Verteidigungsmöglichkeiten – und zwar auch dann, wenn Sie tatsächlich einen Wettbewerbsverstoß begangen haben. Die richtige Vorgehensweise kann Ihnen viel Ärger und Geld sparen.
Häufig sind die geltend gemachten Kosten zu hoch angesetzt oder Sie sollen sich im Rahmen einer Unterlassungsverpflichtungserklärung zu wesentlich mehr verpflichten, als Sie rechtlich müssen.
Im Falle einer unberechtigten Abmahnung können Sie sich Ihre Anwaltskosten grundsätzlich von der Gegenseite zurückholen.
Sie wurden abgemahnt? Machen Sie es nicht noch schlimmer, indem Sie auf eigene Faust reagieren. Rufen Sie uns besser sofort an.
Welche Ansprüche stehen dem Abmahnenden zu?
In einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung können Abmahnende um Grundsatz die folgenden Ansprüche geltend machen:
Beseitigung und Unterlassung
Sie haben einen Anspruch auf Unterlassung der wettbewerbswidrigen Handlung und auf Beseitigung der Folgen. Das heißt, die abgemahnte Person muss alle möglichen und zumutbaren Handlungen vornehmen, die zu einer Beseitigung des Störungszustandes führen (zum Beispiel Werbeprospekte zurückrufen und vernichten, Produkte zurückrufen oder Webseiten umstellen).
Dafür muss noch kein Verstoß gegen das UWG eingetreten sein, es reicht, wenn dieser aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte ernsthaft zu befürchten ist.
Aufwendungsersatz
Bei einer berechtigten Abmahnung haben Sie gem. § 12 Abs. 1 S.2 UWG einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen. Im Regelfall sind dies die Rechtsanwaltskosten, die für die Abmahnung angefallen sind.
Schadensersatz
In besonderen Fällen (zum Beispiel bei der wettbewerbsrechtlichen Leistungsübernahme) haben Sie zudem einen Anspruch auf Schadensersatz. Dieser berechnet sich nach Ihrer Wahl entweder aus dem konkreten Schaden, einschließlich des entgangenen Gewinns, einer angemessenen Lizenzgebühr oder der Herausgabe des Gewinns.
Bei schwerwiegenden Wettbewerbsverstößen kommt gem. § 10 UWG auch eine Abschöpfung des erzielten Gewinnes und die Zahlung an den Bundeshaushalt in Betracht.
Reaktionsmöglichkeiten auf eine Abmahnung
Abgabe einer Unterlassungserklärung
Für den Fall, dass Sie die abgemahnte Wettbewerbsverletzung begangen haben, sollten Sie eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben. So verhindern Sie, dass eine einstweilige Verfügung gegen Sie ergehen kann und Sie schützen sich auch vor den Ansprüchen weiterer Mitbewerber:innen (sog. Drittunterwerfung).
Zudem müssen Sie sicherstellen können, dass Sie den Verstoß nicht erneut begehen. Denn andernfalls kann die Gegenseite wiederholt eine Vertragsstrafe bestimmen, die mit jedem Mal höher ausfällt.
In keinem Fall sollten Sie die vorgefertigte Erklärung unterschreiben, die der Abmahnung beigefügt ist. Womöglich verpflichten Sie sich damit zu viel mehr, als gesetzlich vorgeschrieben ist (zum Beispiel zur Zahlung überhöhter Anwaltskosten).
Einstweilige Verfügung bewusst ergehen lassen
In seltenen Fällen kann es ratsam sein, keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, sondern durch die Gegenseite eine einstweilige Verfügung beantragen zu lassen.
In diesem Fall wird bei einem Verstoß nämlich keine Vertragsstrafe fällig, sondern ein Ordnungsgeld, was statt an die Gegenseite an den Staat geht. Die Motivation, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, wird hier bei der Gegenseite eher gering sein.
Schutzschrift
Wenn Sie befürchten, dass die Gegenseite eine einstweilige Verfügung gegen Sie erwirken will und Sie der Abmahnung keine Folge leisten wollen, können Sie eine Schutzschrift hinterlegen.
Auf diesem Weg können Sie dem Gericht Ihre Sicht der Dinge schildern und Einwendungen gegen die Abmahnung erheben. Oftmals können Sie so auch verhindern, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
Gegenabmahnung
In bestimmten Fällen kann sich eine Gegenabmahnung anbieten. Diese ist allerdings nicht notwendig, sondern dient nur dazu, der Gegenseite die Möglichkeit zu geben, die eigene Abmahnung zu überdenken und gegebenenfalls zurückzunehmen. Sie können stattdessen auch direkt eine negative Feststellungsklage erheben.
Klage bei ungerechtfertigter Abmahnung
Wenn Sie eine ungerechtfertigte Abmahnung erhalten, können Sie auch eine sogenannte negative Feststellungsklage erheben. In diesem Fall stellt das Gericht fest, dass der in der Abmahnung behauptete Anspruch der Gegenseite gegen Sie nicht besteht.
Bei einer unredlichen und unberechtigten Abmahnung der Gegenseite haben Sie gem. § 13 Abs. 5 Satz 1 UWG grundsätzlich Anspruch auf Ersatz Ihrer Rechtsanwaltskosten. Diese sind der Höhe nach auf die Rechtsverfolgungskosten beschränkt, die mit der Abmahnung geltend gemacht werden.
Checkliste: Reaktion auf eine Abmahnung
- Fristen prüfen
Lesen Sie die Abmahnung aufmerksam, welche Fristen gesetzt wurden. Diese sollten Sie unbedingt einhalten, um weitergehende Maßnahmen wie eine einstweilige Verfügung zu vermeiden.
- Kein Kontakt zum Abmahnenden
Ein Kontakt zum Abmahnenden kann nachteilig sein. Schlimmstenfalls geben Sie den Rechtsverstoß zu. Daher sollten Sie in jedem Fall eine rechtliche Prüfung vornehmen. Erst dann können Sie entscheiden, wie Sie vorgehen.
- Vorformulierte Unterlassungserklärung nicht abgeben
In der Regel ist der Abmahnung bereits eine Unterlassungserklärung als Entwurf beigefügt. Wenn Sie diese unterschreiben, kommt ein verbindlicher Vertrag zustande. Sie verpflichten sich zu einer Vertragsstrafe, wenn Sie gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Es besteht das Risiko, dass die Unterlassungsverpflichtung viel zu weit geht oder Sie hohe Summen zahlen müssen, wenn der Verstoß nicht abgestellt wurde.
- Rechtslage prüfen
Ein Anwalt, der sich mit Abmahnungen auskennt, wird eine Einschätzung der Rechtslage vornehmen und Sie über Ihre Optionen aufklären. Nicht immer ist die Abgabe einer Unterlassungserklärung sinnvoll, selbst wenn ein Verstoß vorliegt. Denn eine einstweilige Verfügung kann im Einzelfall gegenüber dem dauerhaften Risiko einer Vertragsstrafe vorteilhaft sein. Dies gilt vor allem, wenn ein Verstoß leicht auftreten kann und der Abmahnende ein Interesse daran hat, Vertragsstrafen einzutreiben.
- Rechtsverstoß dauerhaft beenden
Wenn ein Rechtsverstoß festgestellt werden kann, sollten Unternehmen gegebenenfalls überlegen, welche Prozesse verändert werden müssen, um künftige Fehler zu vermeiden. Ein Rechtsanwalt kann dabei helfen, Schwachstellen aufzudecken.
Welche Kosten kommen auf Sie zu?
Die Gegenstandswerte im Wettbewerbsrecht, nach denen sich sowohl die Anwaltskosten als auch die Gerichtskosten richten, sind abhängig von mehreren Faktoren.
Bei kleineren Verstößen kann ein Gegenstandswert von 5.000 € oder weniger angemessen sein, handelt es sich um mehrere schwerwiegende Verstöße, kann der Wert auch gut mehre zehntausend Euro betragen.
Diese Werte halten die Gerichte für angemessen:
- 3.000 €
Geurteilt wurde über einen Verstoß gegen die Preisabgabenverordnung, bei ähnlichen Verstößen haben andere Gerichte auch 10.000 € bis 15.000 € (bei zwei Verstößen) noch als angemessen erachtet (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.07.2021 – 6 W 53/21). - 14.000 €
Irreführende Werbung mit mehr als 100-jährigem Tradition in der Herstellung sowie Bezeichnung als Manufaktur, wenn nicht überwiegend in Handarbeit gefertigt wird. Es wurden 7.000 € jeweils für den einzelnen Verstoß angenommen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.06.2021 – 6 U 46/21). - 25.000 €
Werbung mit „Testsieger“ in einem Prospekt ohne Angabe der genauen Fundstelle des Testes. Hierbei ist zu beachten, dass die Teststelle für den Verbraucher besonders leicht aufzufinden sein muss (LG Köln, Urteil vom 29.10.2019 – 33 O 55/19).
Bei einem Gegenstandswert von 15.000 € betragen die Anwaltskosten für eine Abmahnung zum Beispiel 1.134,55 €. Für das einstweilige Verfügungsverfahren betragen die Prozesskosten 2.755,10 € und für das Klageverfahren im 1. Rechtszug 5.291,70 €. Dabei erfolgt gegebenenfalls noch eine Anrechnung der außergerichtlichen Tätigkeit. Die Kosten trägt diejenige Partei, die am Ende vor Gericht verliert. Dabei ist auch eine anteilige Kostentragung möglich (zum Beispiel 50:50 wenn das Gericht bei zwei gleichwertigen Anträgen einem stattgibt und den anderen abweist).
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